Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess möchte, dass das Unternehmen in ziemlich jeder Hinsicht wie Tesla wird – beim elektrischen Antrieb, bei eleganter Software, im Marketing und in der Produktion, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt gezeigt oder erklärt hat. Dass er im Unternehmen auch so frei schalten und walten können wollte wie Elon Musk bei Tesla, hat Diess dagegen bislang nicht gesagt, aber es wäre wohl auch endgültig zu viel verlangt. Denn intern steht der Konzernchef wegen seines strikten Tesla-Kurses in Frage – worauf er jetzt mit einer Twitter-Offensive und weiteren Tesla-Vergleichen reagierte.
„Andauernde Tesla-Vergleiche“
Nach Berichten stellte sich Diess am Donnerstag einer Betriebsversammlung bei VW in Wolfsburg – für das Stammwerk soll er vor kurzem vom Wegfall von bis zu 30.000 Stellen und weitaus niedrigerer Produktivität als bei Tesla gesprochen haben. Wie das Manager Magazin berichtete, sprach daraufhin die Arbeitnehmer-Seite im Volkswagen-Aufsichtsrat Diess ihr Misstrauen aus. Ein interner Vermittlungsausschuss soll über den Umgang damit entscheiden.
Die Zukunft von Diess als VW-Chef scheint also – wieder einmal – in Frage zu stehen. Aber am Donnerstag zeigte er nicht nur den eigenen Beschäftigten, dass er nicht in die Defensive geht. Im Gegenteil: Vor der Versammlung äußerte er sich nicht nur deutlich weiter in seine Tesla-Richtung und ging auf Kritik daran ein, dass er die so häufig öffentlich betont. Über Twitter ließ er auch für die ganze Welt darauf hinweisen, dass seine Rede vor den VW-Beschäftigten vollständig bei LinkedIn zu finden ist.
"Der nächste #VWGolf darf kein @Tesla sein. Der nächste Golf darf nicht aus China kommen. Die nächste Ikone muss wieder ein Wolfsburger sein: Trinity!", sagte #VWGroup CEO @Herbert_Diess auf der Belegschaftsinformation in Wolfsburg.
Seine Rede gibt es hier auf @LinkedInDACH ⬇️
— Volkswagen Group (@VWGroup) November 4, 2021
„Ich werde oft gefragt, warum ich uns andauernd mit Tesla vergleiche. Ich weiß, dass es einige nervt“, sagte Diess demnach in Wolfsburg offen. Gleichzeitig hielt er aber fest: „Es ist meine Aufgabe und die des gesamten Managements, den Wettbewerb richtig einzuschätzen, den Konzern darauf vorzubereiten und zukunftssicher zu machen.“ Von 30.000 Stellen weniger sprach der VW-Chef nicht, sagte aber, von den heute bestehenden Jobs werde es in 10-15 Jahren „sicher weniger“ geben. Neue würden dazukommen, aber darüber entscheide weder er noch die Betriebsratschefin Daniela Cavallo, sondern die Kunden, „indem sie entweder ein Auto aus Brandenburg oder ein Auto aus Wolfsburg kaufen“.
VW-Chef positioniert sich
Ansonsten ersparte Diess der VW-Belegschaft erneut nicht den Vergleich mit Tesla. Dort werde die Qualität besser, und in der neuen Gigafactory in Grünheide bei Berlin werde ein Auto voraussichtlich innerhalb von 10 Stunden fertig – während es bei VW in Zwickau 30 Stunden dauere. Zahlen wie diese würden ihn bewegen, auf die neue Konkurrenz-Situation hinzuweisen, sagte Diess laut seinem LinkedIn-Text. „Selbst wenn ich nicht mehr über Elon Musk spreche: Er bleibt immer da und revolutioniert unsere Industrie und wird schnell immer wettbewerbsfähiger.“
Er will also offenbar weder damit aufhören, Tesla zu folgen, noch die öffentlichen Hinweise darauf einstellen, was manchem Aufsichtsrat-Mitglied vielleicht sogar schon reichen würde (das Foto oben stammt von einem VW- Führungskräftetreffen, bei dem Musk per Video zugeschaltet wurde). Ob und wie Diess den Volkswagen-Konzern weiter in die von ihm erwartete schwierige Zukunft führen kann, wird kurzfristig vom Ergebnis der Vermittlung in dem Gremium abhängen. Die deutliche Rede vor den Beschäftigten – und via Internet der Öffentlichkeit – dürfte als nicht sehr kompromissbereite Positionierung dafür zu verstehen sein.