Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess macht schon lange keinen Hehl daraus, dass er Tesla für führend nicht nur beim elektrischen Antrieb, sondern auch bei Digitalisierung und sogar bei effizienter Produktion hält und dass traditionelle Hersteller rasch darauf reagieren müssen. Ende September ging er damit nach dem Geschmack vieler Beobachter vor allem von der Gewerkschaftsseite zu weit: Bei VW könnten durch einen zu langsamen Elektroauto-Umstieg 30.000 Stellen verloren gehen, soll Diess nach vielen Berichten den Aufsichtsrat gewarnt haben. Jetzt sprach er bei einer Tagung mit Führungskräften weiter über dieses Thema – und holte per Video-Schaltung Tesla-CEO Elon Musk dazu.
VW sieht neue Maßstäbe durch Tesla-Fabrik
Das berichtete am Samstag zunächst das Handelsblatt und wurde ungefähr gleichzeitig von Diess selbst bestätigt: Auf Twitter veröffentlichte er einen Kurzbericht über das Treffen mit 200 Top-Managern im österreichischen Alpbach. Darin schreibt der Konzern-Chef von einer neuen Mentalität und Revolution am Hauptsitz in Wolfsburg. Und er dankt Tesla-Chef Musk für seine Teilnahme, der auf einem Foto auf einem Bildschirm neben ihm zu sehen ist.
Zu der Diess-Warnung vor möglichen 30.000 Job-Verlusten hieß es später, sie sei aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt worden. Dass der VW-Chef eine schnellere Transformation gefordert hatte, wurde aber bestätigt. Angesichts neuer Marktteilnehmer bestehe kein Zweifel daran, dass Volkswagen sich um die Wettbewerbsfähigkeit in Wolfsburg kümmern müsse, sagte ein Sprecher der Nachrichten-Agentur Reuters. Tesla setze mit seiner Fabrik in Grünheide neue Maßstäbe bei Produktivität und Skalierung.
With a new mindset & a revolution in our headquarter Wolfsburg we can succeed the new competition.Good meeting with 200 top managers in Alpbach. Big responsibility at a crucial point for our company. Thx for joining @ErinMeyerINSEAD & @elonmusk,we will visit you soon in Grünheide pic.twitter.com/dwYyXZnBT8
— Herbert Diess (@Herbert_Diess) October 16, 2021
Am Ende der ersten Phase für die Gigafactory bei Berlin soll sie laut Tesla-Chef Musk mindestens 12.000 Menschen beschäftigen und mehr als 500.000 Elektroautos pro Jahr produzieren. Nach früheren Plänen, die noch nicht zur Genehmigung eingereicht sind, ist aber langfristig mit jeweils etwa dem Vierfachen zu rechnen. Volkswagen braucht laut Reuters in Wolfsburg dagegen 25.000 Beschäftigte, um 700.000 Autos pro Jahr zu produzieren. Für große Teile des Rahmens will Tesla in Grünheide riesige Druckgussmaschinen verwenden. Laut Analysten bringen die Giga-Pressen Gewichts- und Kostenvorteile und könnten deshalb bei 50 Prozent aller neuen Elektroautos eingesetzt werden.
Musk beruhigt bei Volkswagen-Treffen
Die Lage für VW ist also ernst, aber offensichtlich konnte Konzernchef Diess Tesla-Chef Musk persönlich dafür gewinnen, aufmunternde Worte an sein Führungsteam zu richten – eine recht ungewöhnliche Vorgehensweise unter konkurrierenden Unternehmen. Diess zeigt damit deutlich, welchen Respekt er vor Musk hat – und der erwiderte das laut Handelsblatt, indem er Volkswagen als den größten Herausforderer von Tesla bezeichnete. Das deutsche Traditionsunternehmen werde den anstehenden Wandel meistern, soll er weiter gesagt haben.
Von Diess gefragt, warum Tesla so viel schneller sei als andere Unternehmen, erklärte Musk laut Handelsblatt, das liege vor allem an seinem Führungsstil. Er sei in erster Linie Ingenieur, so der CEO. Unerwähnt blieb offenbar, dass Tesla außerdem, so weit bekannt, weder Zeit noch Geld für aufwendige Strategie-Treffen mit dreistelliger Teilnehmerzahl in malerischen Alpen-Orten investiert.