Wenn man Designer reden lässt, können sie viel über Dinge erzählen, die sonst wohl niemandem auffallen würden – so veröffentlichte Volkswagen im Sommer 2020 eine längliche Pressemitteilung, in der es um nichts anderes ging als die äußere, „wie vom Wind selbst geformte“ Gestaltung des Elektroautos ID.4. Aber nicht nur mit Blick auf die Optik treiben Automobil-Hersteller einigen Aufwand, um ihre Fahrzeuge gefälliger (und vielleicht auch auffälliger) zu machen: Schon der Klang heutiger Verbrenner-Motoren ist längst nicht mehr rein technisch bedingt, sondern wird sorgfältig gesteuert. Bei Elektroautos wiederum fallen die Antriebsgeräusche zunächst einmal fast komplett weg. Aber Sound-Designer sind kräftig dabei, das zu ändern – und könnten damit den zukünftigen Klang von Städten prägen.
Teslas rückwärts wie ein Raumschiff
Die Elektroautos von Tesla kamen zuerst und blieben zunächst so geräuscharm, wie sie prinzipbedingt sind. Inzwischen gibt es aber auch hier zum einen ein akustisches Fußgänger-Warnsystem, wie es in den USA vorgeschrieben ist – rückwärts klingen Teslas damit wie ein Raumschiff, vorwärts wie ein Flugzeug. Und Ende 2020 kam, ebenfalls nur für die USA, die neue Boombox-Funktion, über die sich beliebige Sound-Dateien über den Außenlautsprecher abspielen lassen. Schon vorher gab es Nachrüst-Lösungen, die einen Tesla klingen lassen können wie beliebige Verbrenner-Sportwagen.
Andere Hersteller aber wollen die elektrische Klang-Gestaltung nicht den Kunden überlassen, sondern behandeln sie wie vorher bei Verbrennern als akustisches Marketing. Sie treiben also großen Aufwand dafür, wie einem aktuellen Beitrag in dem Magazin Time zu entnehmen ist. Neben vielen Schilderungen ihrer künstlerischen Arbeit durch die mit Elektroautos beschäftigten Sound-Designer ist ein interessanter Aspekt darin enthalten: Der Grund-Klang von Städten entstehe durch ihre Autos, erklärt der Akustik-Professor Trevor Cox. Wenn der Verkehr elektrisch wird, bedeutet das also auch, dass sich Städte ganz anders anhören werden.
Potenziell könnten sie durch Elektroautos viel leiser werden, selbst wenn dezente Fußgänger-Warnsignale bei langsamer Fahrt vorgeschrieben sind. Cox sieht aber die Gefahr, dass das Sound-Design mit unterschiedlichen Schwerpunkten bei unterschiedlichen Herstellern und Modellen in eine akustische Hölle führt. Er nennt auch ein quasi-historisches Beispiel dafür: Als Mobiltelefone neu waren, habe jeder mit besonderen Klingeltönen die eigene Individualität demonstriert – „und dadurch entstand diese schreckliche Kakophonie“.
Elektroautos sind wie Dinosaurier
Ein Manager des Audiotechnik-Anbieters Harman verglich im Gespräch mit Time die Herausforderung beim automobilen Akustik-Design mit der für die Macher des Films Jurassic Park. Für Elektroautos gebe es keinen natürlichen Klang als Vorbild, sagte Jonathan Pierce. Also müsse man ihn ebenso neu erfinden, wie sich das Film-Team ausdenken musste, welche Geräusche wohl Dinosaurier gemacht haben. Immerhin lässt der Manager (anders als andere Klang-Experten in dem Artikel) erkennen, dass er auch das automobile Gesamt-Klangbild im Blick hat: Die Branche müsse sich selbst Schranken auferlegen und nicht nur an die eigenen Kunden denken, sondern auch an die Gesellschaft, sagte er.
Elektroautos sind weltweit im Kommen, aber noch stellen Tesla und die anderen Hersteller nur einen kleinen Teil der Fahrzeugflotte. Wenn er größer wird, werden auch ihre Sound-Entscheidungen relevanter und Städte entweder leise oder jedenfalls ganz anders klingen, im schlimmsten Fall wie das von dem Akustik-Professor angesprochene riesige Durcheinander von Klängen, von denen jeder einzelne optimiert wurde, die aber nicht zusammenpassen. Wenn der Staat nichts dagegen tut, bliebe laut Time die Hoffnung, dass Elektroauto-Fahrer zumindest die Möglichkeit haben werden, Außen-Geräusche abzuschalten, und davon Gebrauch machen. Immerhin würden die meisten Menschen inzwischen ja auch ihre Mobiltelefone Nachrichten und Anrufe nur noch durch Vibration signalisieren lassen.