Die Nachricht kam überraschend: Jeff Bezos, Gründer und Chef des Versandriesen Amazon, will am 20. Juli in seine Raumkapsel „New Shepard“ steigen und mit ihr den Weltraum besuchen – also vor Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk. Die Kapsel wurde von Bezos‘ Raumfahrt-Unternehmen Blue Origin entwickelt und hat in den letzten sechs Jahren 15 erfolgreiche Testflüge absolviert. Der Start im Juli soll der Auftakt für regelmäßige Flüge mit Weltraum-Touristen sein, die an Blue Origin 200.000 bis 300.000 Dollar pro Sitz zahlen.
Blue Origin früher, aber flacher
Dass Bezos Musk oder SpaceX damit „aussticht“, wie eine deutsche Zeitung berichtete, ist allerdings höchstens vordergründig wahr. Denn Musk will mit SpaceX langfristig auf den Mars, während Blue Origin eigentlich nur einen Hüpfer in Richtung All plant: Die Kapsel soll wenige Minuten nach dem Start kurz an der physikalisch definierten Grenze zum Weltraum in 100 Kilometern Höhe entlang fliegen. Ein paar Minuten wird man dabei schwerelos sein und auf einen schwarzen Himmel sowie eine leicht gekrümmte blaue Erde blicken können. Doch New Shepard schafft es nicht bis in eine Umlaufbahn, wird also sehr rasch wieder fallen und in die dichtere Atmosphäre eintreten. Zehn Minuten nach dem Start ist der Flug vorbei, und die Passagiere landen an Fallschirmen in der texanischen Wüste.
Elon Musks Unternehmen SpaceX dagegen hat mit seiner Dragon-Raumkapsel schon mehrfach Astronauten in eine Erdumlaufbahn und zur Internationalen Raumstation gebracht – Missionen über Monate. Im September sollen mit der Dragon auch erstmals Weltraumtouristen, angeführt von dem Spender Jared Isaacman, auf einen mehrere Tage langen Orbitalflug gehen.
Trotzdem war der Coup von Bezos öffentlichkeitswirksam. Für den Flug am 20. Juli wird von Blue Origin ein weiterer Sitz versteigert. Lag das Höchstgebot lange bei 2,5 Millionen Dollar, schnellte es nach der Ankündigung vom Mitflug des Gründers auf 3,5 Millionen hoch. Da man noch bis zum 10. Juni bieten kann und zwei Tage später eine finale Live-Auktion folgt, ist davon auszugehen, dass der freie Platz noch weitaus teurer werden wird. Neben Jeff Bezos und dem höchstbietenden Touristen sollen Bezos‘ Bruder Mark mitfliegen sowie bis zu drei weitere Mitarbeiter von Blue Origin.
Risiko für Tesla- und SpaceX-Chef zu hoch
Der Aktienkurs von Amazon zeigte unterdessen keine auffällige Reaktion auf die Nachricht vom geplanten Weltraum-Hüpfer des Chefs mit seinem Bruder. Denn noch vor dem Flug will Bezos Anfang Juli den CEO-Posten an Andy Jassy übergeben; dieser Rückzug des Amazon-Gründers von der operativen Leitung war schon länger angekündigt.
Wann Tesla-Chef Musk mit SpaceX selbst ins All fliegt, ist vorerst offen – er wolle auf dem Mars sterben, aber nicht gleich beim Aufsetzen, hat er einmal gesagt. Vorerst dürfte er das überproportionale Risiko, das Raumflüge trotz getesteter und bewährter Technik stets mit sich bringen, wohl nicht eingehen wollen: Dafür hat Musk noch zu viele visionäre Vorhaben mit Tesla, SpaceX und weiteren Unternehmen zu realisieren.