Die Aufnahmen seien wohl ein weiterer Fall von „wie kann man bloß so fahren?“, schrieb der bekannte Tesla-Fahrer und -Hacker @greentheonly am Donnerstag auf Twitter und stellte dazu ein Video ein, das mit seinem Kommentar sehr zurückhaltend beschrieben ist: Darin rast ein Tesla Model X auf einer Autobahn mit weit überhöhter Geschwindigkeit in einen kompakten Honda, der vor ihm auf derselben Spur fährt. Darüber hinaus lieferte der Hacker exakte Daten zu dem schweren Unfall, die er Aufzeichnungen des zerstörten Tesla entnahm.
Keine Berichte über Tesla-Unfall
Nach Angaben von @greentheonly ereignete sich der Unfall schon in diesem Januar im US-Bundesstaat Kalifornien. Ob Personen dabei zu Schaden kamen, blieb zunächst offen. Der Hacker selbst und andere hofften darauf, dass es zumindest keine gravierenden Verletzungen gab, weil keine Berichte über den Crash zu finden waren.
Geklärt wurde aber die Frage, woher das Material stammt: Manchmal bekomme er Computer aus Unfall-Teslas von Schrottplätzen zugeschickt, erklärte @greentheonly. Deren Betreiber seien auch nur Menschen und wollten wissen, was damit passiert sei. Offenbar ist also selbst manchen Schrotthändlern bekannt, dass die Elektroautos von Tesla reichlich Daten in sich tragen. Verkaufen könne man ältere Tesla-Hardware übrigens nicht mehr – die aus dem Model X sei Generation 2.5 und inzwischen „wertlos“.
Ugh, another one for the "who drives like that?" book I guess.
Looks like poor Honda went airborne but I don't see any news for that date/location so hopefully nobody died or was seriously hurt.
Speed at impact unknown yet (no canbus data)#TeslaCrashFootage pic.twitter.com/dpT8QSiR5Q— green (@greentheonly) November 12, 2020
Zunächst veröffentlichte @greentheonly auf Twitter nur das Video, das die Front-Kamera des Model X in den Sekunden vor dem Aufprall aufgenommen hat. Es spielt auf einer nächtlichen, trockenen Autobahn mit vier Spuren und wenig Verkehr. Der Tesla ist erkennbar schnell unterwegs und überholt zunächst rechts (in den USA erlaubt) ein anderes Auto. Bald darauf hält er mit offenbar zunehmender Geschwindigkeit auf den Honda zu, der mit normal wirkendem Tempo auf seiner Spur fährt. Das Tesla Model X kracht ohne erkennbaren Brems- oder Ausweichversuch in dessen Heck, und der Kompaktwagen hebt nach links vorne ab, bevor das Video fast schwarz wird.
Tempo bei Aufprall 220 km/h
Später lieferte der Tesla-Hacker auch die Daten zu dem schweren Unfall, die er nach und nach der „blackbox“ im Computer des Model X entnahm. Demnach betrug die Geschwindigkeit des schweren Elektroautos beim Aufprall 136,55 Meilen pro Stunde, fast genau 220 Stundenkilometer und damit in allen US-Bundesstaaten weit über dem Limit; die Differenz zum Tempo des Honda auf derselben Spur habe 101,4 Stundenkilometer betragen.
Got some help with the blackbox. Here's the speed leading to accident.
Impact time ground speed: 136.55MPH
you can see the drop in speed at impact is smallish – likely due to "lightweight" Honda pushed out to much faster speed (100+mph?) pic.twitter.com/Z0OOgTV4mv
— green (@greentheonly) November 12, 2020
Weiter zeigen die von @greentheonly veröffentlichten Daten, dass sich zumindest die Autopilot-Funktion des adaptiven Tempomaten rund 40 Sekunden vor dem Aufprall mit einer Hindernis-Warnung deaktiviert hatte; außerdem gab es kurz vorher noch einen Kollisionsalarm, doch das Strompedal blieb fest getreten. Unklarheit herrschte zunächst mit Blick auf die automatische Lenkung. Laut den Twitter-Kommentaren bleibt diese Autosteer-Funktion oberhalb von 90 Meilen pro Stunde nicht aktiv. Stattdessen könnte die standardmäßig eingeschaltete Notfall-Spurkorrektur verhindert haben, dass das Model X mit einem möglicherweise bewusstlosen Fahrer vor dem Crash von der Spur abkam.
Der Tesla-Hacker selbst wagte keine Aussage über den möglichen Hintergrund des Unfalls. Für einen eingeschlafenen oder bewusstlosen Fahrer komme er ihm zu merkwürdig vor, eine Versicherung habe sich jedenfalls nicht bei ihm nach dem Material erkundigt, schrieb er nur. Und so wird das genaue Geschehen um den schweren Crash, der angesichts fehlender Berichte und Ermittlungen vermutlich zumindest ohne Tote endete, vielleicht trotz aller Tesla-Daten und -Videos auf Dauer unaufgeklärt bleiben.