Ob er sich das auch auf Twitter trauen wird? Das neue Jahr begrüßte der Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess in dem Job-Sozialnetz LinkedIn mit einem Video von einer Probefahrt – aber nicht etwa mit dem Elektroauto VW ID.4, das ab 2021 zu Kunden weltweit kommen soll, sondern röhrend mit einem sportlichen Cupra der Konzernmarke Seat. Etwa eine Woche vorher hatte er angekündigt, im neuen Jahr auch auf Twitter zu agieren. Dort allerdings herrschen Tesla-CEO Elon Musk und seine Fans – und bislang ließ sich Diess in diesem ungewohnten Umfeld noch nicht blicken.
Diess will in Höhle des Tesla-Löwen
Seinen CEO-Kollegen Jeff Bezos von Amazon hat Tesla-Chef schon als „Nachmacher“ bezeichnet, nachdem der in ein Startup für autonomes Fahren investierte (außerdem hat er wie Musk mit SpaceX eine Raketenfirma namens Blue Origin). Dass Diess noch viel stärker zumindest auf Tesla-Kurs ist, scheint Musk aber nicht zu stören. Stattdessen lobte er den VW-Chef mehrfach öffentlich für seine Umbau-Ambitionen bei Volkswagen. Nach seinem ersten Deutschland-Besuch in diesem Sommer besuchte der Tesla-Chef seinen Kollegen bei VW sogar auf dem Flughafen Wolfsburg, um dort kurz das Elektroauto ID.3 probezufahren.
Diese Musk-Visite schlachtete der VW-Konzernchef anschließend medial aus – aber nicht wie üblicherweise der Tesla-CEO auf Twitter, sondern im zurückhaltenderen Umfeld LinkedIn, wo offiziell alle Mitglieder unter ihrem echten Namen auftreten. Wenn der Konzernchef zu den Twitter-Massen sprechen wollte, überließ er das bislang dem offiziellen VW-Konto, dass dann auf LinkedIn-Beiträge von Diess verwies.
In diesem Jahr aber will sich Diess sozusagen selbst in die Höhle des Tesla-Löwen wagen. „2021 wollen wir stärker auch mit der Politik kommunizieren. Twitter ist das Medium“, schrieb er kurz vor Weihnachten auf LinkedIn. Wie ungemütlich es bei dem freieren Sozialnetz zugehen kann, muss unter den Auto-Unternehmen vor allem BMW immer wieder erfahren. Zwar nicht der Vorstandschef, aber eine Agentur versucht auf Twitter regelmäßig, für die Fahrzeuge zu begeistern und positive Kommentare zu sammeln. Aber weil BMW anders als Volkswagen oder zumindest Diess nicht konsequent elektrisch denkt und zudem auch bei Elektroautos an seinen immer größer werdenden Kühlergrills festhält, hagelt es stattdessen oft beißende Kritik.
Vorbild Musk mit 41 Mio. Followern
Diess dürfte es schon aufgrund der Protektion durch Musk auf Twitter leichter haben. Schon im Januar wollte er seine Aktivität dort beginnen, erfuhr das Fachportal pressesprecher aus Unternehmenskreisen. An den ersten Tagen des Monats hatte er aber offenbar noch keine Zeit dafür oder sah keinen Anlass. Auf Twitter fand sich an diesem Dienstag noch nicht einmal ein Profil, das sich sicher dem VW-Chef zuordnen lässt. Die Suche nach seinem Namen liefert dort zwei Treffer, davon ein geschütztes Konto mit 0 Followern seit August 2019. Der wahrscheinlichere Kandidat ist @Herbert_Diess von Dezember 2020 mit 9 Beobachtern, aber keinerlei Inhalten.
„Bitte ignoriert frühere Tweets, das war nur jemand, der sich als mich ausgegeben hat 🙂 Jetzt bin ich es wirklich“, lautete im Juni 2010 die erste Twitter-Nachricht von Tesla-Chef Musk, der dort inzwischen gut 41 Millionen Twitter-Follower hat. Davon dürfte Diess lange nur träumen können. Dabei hat er, anders als vermutlich Musk, sogar Mitarbeiter für das Marketing in sozialen Medien: Bei seinen Beiträgen werde er von einem Team um seinen CEO-Sprecher unterstützt, berichtet pressesprecher weiter, schreibe aber auch „häufig selbst“. Bei Twitter werde es so ähnlich gehalten. So authentisch und interessant wie das Konto des Tesla-Chefs dürfte das von Diess also nicht werden.