Volkswagen als der größte der drei deutschen Auto-Konzerne ist so sehr auf Tesla-Kurs, wie man als traditioneller Hersteller wohl nur sein kann: Unter seinem Vorstandschef Herbert Diess bringt das Unternehmen mit seinen Marken von Audi bis VW derzeit nicht nur ein elektrisch angetriebenes Auto nach dem anderen heraus und plant noch viel mehr, nach und nach sollen sie auch so konsequent digital werden wie die von Tesla und in Fabriken entstehen, die so modern sind wie die neue Gigafactory bei Berlin. In dieser Woche rief Diess die deutsche Politik auf, sich endlich von der angeblichen Alternative Wasserstoff-Autos zu verzichten, und Tesla-Chef Elon Musk pflichtete ihm bei. Doch schon kurz darauf ging die von Diess so bezeichnete „Scheindebatte“ weiter.
Zwischen Elektroautos und Wasserstoff
Mit der börsennotierten Tochter Traton mischt der Volkswagen-Konzern auch im Nutzfahrzeug-Geschäft kräftig mit – und auch hier setzt er inzwischen nicht mehr auf Wasserstoff, sondern wie Tesla auf Energie-Versorgung nur über hinreichend große Akkus. BMW dagegen teilte erst vor kurzem mit, im kommenden Jahr wirklich einen X5 mit Brennstoffzelle in Kleinserie produzieren zu wollen.
Daimler wiederum steht unter den deutschen Auto-Herstellern ziemlich genau dazwischen. Für sein Auto-Geschäft mit Mercedes ließ er im vergangenen April wissen, dass das 2018 ebenfalls als Kleinserie gestartete Brennstoffzellen-Auto GLC F-Cell nicht mehr produziert wird. Aktuell seien Batterien der Stromerzeugung mittels Wasserstoff-Zelle an Bord „bezüglich einer großvolumigen Markteinführung überlegen“, hieß es zur Begründung. Parallel dazu aber informierte die Lastwagen-Sparte Daimler Trucks, die bald getrennt von Mercedes an die Börse kommen soll, sie habe ein Joint-Venture mit Volvo zur serienreifen Entwicklung von Brennstoffzell-Systemen für schwere Fahrzeuge gegründet.
Bei seinem Aufruf, die Debatten über Wasserstoff als mögliche Transport-Lösung einzustellen, bezog sich Diess auf eine aktuelle Studie, laut der das Gas jedenfalls bei Pkw weder zur Verstromung noch als Basis für synthetische Treibstoffe ökologisch genug wäre. Ungeachtet dessen sprach sich auf Nachfrage wenig später Martin Daum, Chef von Daimler Trucks, für fortgesetzte Technologie-Offenheit aus. Auch er sagte allerdings, dass sich zumindest bis 2025 alles um Batterie-Antriebe drehen werde.
Daimler Trucks: Ab 2025 Brennstoffzelle
Anders als die Chefs von Tesla aber hält Daum das für eine vorübergehende Erscheinung: Von 2025 an werde es nicht mehr ausreichen, „zur Erreichung der Klimaziele nur auf eine Technologie zu setzen“, sagte er der Nachrichten-Agentur Bloomberg. Sowohl batterie-elektrische als auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge würden dafür gebraucht. Als einen der Faktoren, die eine solche technologische Offenheit oder zumindest Zweigleisigkeit erfordern, nannte Daum Knappheit bei Elektroauto-Rohstoffen und Belastungen für die Strom-Netze.
Nach der Vorstellung des Tesla Semi hatte Daum, der später als erster Daimler-Manager das Ende des GLC F-Cells bestätigte, die Angabe von bis zu 800 Kilometern Reichweite für den E-Lastwagen als unrealistisch bezeichnet. Damit behielt er bislang insofern Recht, als es noch keine Auslieferungen an Kunden gab. Vor Ende dieses Jahres sollen erste Tesla Semi jetzt kommen, aber auch das dürfte die von Musk und Diess kritisierten Wasserstoff-Debatten noch nicht beenden. Vielleicht werden sie auch zur Ablenkung gebraucht: Im September 2020 kündigte Daimler Trucks einen Brennstoffzellen-Lkw mit 1000 Kilometer Reichweite (s. Foto oben) frühestens 2025 an – und in diesem Jahr soll erst einmal ein eActros mit Akkus und nur „deutlich über 200 Kilometer“ Reichweite kommen.