Einige hundert Menschen werden vielleicht verflucht haben, dass Tesla an diesem Dienstag in Grünheide bei Berlin die laut Bundeskanzler Olaf Scholz erste deutsche Fabrik, „die nur Elektrofahrzeuge gebaut hat“, eröffnete. Denn sie standen stundenlang auf der gesperrten A10, über der sich Gegner des Projekts abgeseilt hatten. Andere wollten am Tag zuvor sogar einen Brandanschlag verübt haben, um Bahn-Pendler auf dem Weg zu der Tesla-Fabrik auszubremsen. Vor Ort aber herrschte beste Stimmung, als 30 Besteller am „Delivery Day“ von CEO Elon Musk ihre Model Y Performance übergeben bekamen.
Kanzler-Lob für Tesla-Fabrik
Nachdem sich die ausgesuchten Kunden und ihre Begleitungen morgens auf dem Gelände der Fabrik mit dem offiziellen Namen Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg registriert hatten, konnten sie sich die Produktion im Inneren zeigen lassen. Gearbeitet wurde dort schon länger, denn testweise durfte Tesla schon vor der Anfang März erteilten Genehmigung hunderte Model Y produzieren. Jetzt aber ist die Fabrik offiziell in Betrieb, und nach den ersten 30 Model Y zum Abholen dürften vor Monatsende reguläre Auslieferungen beginnen.
Bevor die Abholer ihre Model Y – sämtlich Performance-Versionen in Schwarz mit schwarzer Innenausstattung – gegen Mittag in Empfang nehmen konnten, machte politische Prominenz Tesla ihre Aufwartung. Bundeskanzler Scholz freute sich in einer Rede über den Fortschritt, den das Unternehmen in den Industrie-Standort Deutschland bringe. Er bezeichnete die Gigafactory sogar als Zeichen dafür, dass die deutsche Einheit richtig funktioniere. Sie sei die erste Fabrik in Deutschland, die nur für Elektroautos gebaut worden sei, sagte der Kanzler etwas umständlich. Der Hintergrund dafür dürfte sein, dass das VW-Werk Zwickau seit Anfang des Jahres nur noch die elektrischen ID-Modelle produziert.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nahm sich kurz am Rand Zeit für Journalisten. Dass das Land mehr Elon Musks brauche, wollte er zwar nicht sagen, aber dass mehr Mut „gar nicht schaden“ könne. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigte sich stolz darüber, dass die Gigafactory in seinem Bundesland steht. Außerdem zeigte er sich vertraut mit Vertretern des Unternehmens, indem er zwei seiner Manager nur mit Vornamen nannte, als er ihnen und dem ganzen Tesla-Team dankte und es in Grünheide willkommen hieß. Tatsächlich hatte sich der Leiter der Fahrzeug-Produktion in der Fabrik zuvor nur als „André“ vorgestellt (sein Nachname lautet Thierig, und er kam von Ford zu Tesla). Auch er dankte, unter anderem Kanzler Scholz und den Genehmigungsbehörden.
CEO Musk hielt sich und die Besteller im Reden-Teil nicht lange auf. Er dankte auf Deutsch „für alles, Brandenburg, Grünheide, Deutschland,“ und sagte dann, Tesla werde dafür sorgen, dass seine Giga Berlin gut für die Region, das Land, den Kontinent und die ganze Welt sein werde. Sie stelle einen weiteren großen Schritt in eine Zukunft mit nachhaltiger Energie dar und solle trotz schwerer Zeiten und Sorgen Anlass zur Hoffnung geben: „Glaubt an die Zukunft!“, rief der Tesla-Chef, bevor er sich an die Übergaben machte: Nach und nach schoben sich durch die Lichterbögen der Qualitätskontrolle die 30 Model Y auf dem Band heran. Musk sprach kurz mit der jeweiligen Besteller-Gruppe, und dann wurde sie mit einem Tesla-Mitarbeiter am Steuer aus der Halle gefahren.
Gigafactory feiert, Autobahn gesperrt
Die Kunden konnten das nicht sehen, aber zu diesem Zeitpunkt saß auf der langen Zufahrtsstraße zu der Tesla-Fabrik schon eine Gruppe Protestierender und blockierte damit den Weg, den die frisch übergebenen Elektroautos später nehmen sollten. Die zahlreich anwesende Polizei ließ sie eine Weile gewähren, forderte dann zweimal über Lautsprecher zum Gehen auf und trug oder zog die etwa 15 Personen schließlich weg. Vorher mussten einige der schwarz glänzenden Premieren-Teslas und andere abfahrende Autos einen kleinen Umweg über den Parkplatz nehmen.
Auf dem Gigafactory-Gelände wurde es ab etwa 15 Uhr trotz der Abfahrten voller, weil der Party-Teil des Delivery Day mit Beschäftigten von Tesla und wohl auch Partner-Firmen begann. Wer mit seinem frisch abgeholten Model Y (oder mit sonst irgendeinem Auto) über die A10 von Deutschlands erster reiner Elektroauto-Fabrik aus Richtung Norden wollte, kam aber nicht durch: Weitere Tesla-Gegner hatten sich kurz vor der Tesla-Ausfahrt und Auffahrt Freienbrink von einer Schilderbrücke abgeseilt. In Richtung Süden floss der Verkehr gegen 16.30 Uhr wieder, doch in der Gegenrichtung war ein kilometerlanger Stau zu sehen, weil die A10 noch gesperrt war.
Nur vereinzelt waren in der Schlange auch Teslas auszumachen. Doch mit der neuen Fabrik in Grünheide könnte ihre Zahl in Deutschland noch schneller zunehmen als in den letzten Monaten ohnehin schon. CEO Elon Musk flog laut einem Jet-Beobachter auf Twitter unterdessen gegen 21 Uhr wieder vom Flughafen Berlin Brandenburg ab, auf dem er am Montag auf dem Weg zur Gigafactory Berlin-Brandenburg gelandet war. Im April dürfte die Eröffnung der nächsten Tesla-Fabrik folgen, in Texas und noch größer als die deutsche.