Der Schritt vom Prototypen in die Serienproduktion ist riesig, warnt Tesla-Chef Elon Musk mit Blick auf kommende Konkurrenten immer wieder. Sein Unternehmen hat solche Start-Schwierigkeiten weitgehend hinter sich (könnte sie allerdings derzeit bei Batterien von Neuem erleben), aber zwei viel beachtete Konkurrenten machen offenbar trotz langer Vorbereitungen tatsächlich gerade auf unerfreuliche Weise Bekanntschaft mit der Realität der Produktion: Das von einem Ingenieur gegründete Startup Rivian und Lucid Motors, geleitet vom früheren Chef-Entwickler für das Tesla Model S.
Tesla-Chef kennt Start-Probleme gut
Beide Unternehmen sind inzwischen an der Börse notiert, und beide sind auf gewisse Weise ein Gegenentwurf zu Tesla mit Elon Musk: Rivian wurde von dem ruhigen Ingenieur RJ Scaringe gegründet und hat es mit weitaus weniger Aufregung und Kontroversen geschafft, im November 2021 die ersten Exemplare seines Pickups R1T auszuliefern. Bei Lucid setzt der CEO und CTO Peter Rawlinson auf Luxus und riesige Reichweite, das aber in einem britisch-zurückhaltenden Stil in der Kommunikation.
Immerhin das Stadium von Produktion und Auslieferungen haben Rivian wie Lucid anders als manches andere Elektroauto-Startup schon erreicht. Aber das heißt nicht, dass ab jetzt alles glatt liefe. Auch bei Tesla fingen die Schwierigkeiten nach späteren Erzählungen von CEO Musk erst dann so richtig an, als Mitte 2017 der Hochlauf des Model 3 begann. Angeschlossen hätten sich „zwei Jahre extremer Stress und Leid„, schrieb er im November 2020.
Rückruf für wohl alle Lucid Air
Demgegenüber nimmt sich der Rückruf, den die NHTSA vergangene Woche für das Luxus-Elektroauto Air als das bislang einzige Modell von Lucid veröffentlichte, fast harmlos aus. Aber er scheint jedes bislang ausgelieferte Exemplar des Air zu betreffen. Laut den Dokumenten soll bei 1117 Fahrzeugen die Verlegung eines Ethernet-Kabels überprüft werden, weil sonst Bildschirme mit wichtigen Anzeigen ausfallen können. Für Q4 2021 und Q1 2022 hatte Lucid zuvor zusammen rund 500 Air-Auslieferungen gemeldet.
Nach einem kleineren im Februar ist das schon der zweite Lucid-Rückruf. Möglicherweise als Reaktion darauf soll das Unternehmen die interne Verantwortung für Qualitätskontrolle neu organisiert werden. Bislang lag sie bei dem früheren Audi-Ingenieur Peter Hochholdinger, der 2016 zunächst zu Tesla wechselte und 2019 zu Lucid kam. Nach Angaben von mehreren Mitarbeitern soll sie jetzt auf einen anderen Vice President übertragen worden sein, berichtete Business Insider.
Akku-Paket in Rivian-Fabrik brennt
Einen ähnlichen Führungswechsel aus ähnlichen Gründen hat es laut Bloomberg vergangene Woche zudem auch bei Rivian gegeben. Dort soll CEO Scaringe intern über die Trennung vom bisherigen VP für Produktion informiert haben. Als Nachfolger wurde Frank Klein genannt, der als Chief Operating Officer für Produktion und Lieferkette verantwortlich wird. Zuvor hatte Rivian sein Produktionsziel für dieses Jahr aufgrund von Komponenten-Knappheit von 40.000 auf 25.000 Elektroautos gesenkt.
Und als würde das an Start-Schwierigkeiten bei den Tesla-Konkurrenten noch nicht ausreichen, wurde am Sonntag auch noch ein Feuer in der Rivian-Fabrik in US-Bundesstaat Illinois gemeldet. Am Samstagvormittag sei ein defektes Batterie-Paket in Brand geraten und habe eine Evakuierung dieses Produktionsbereichs erfordert, teilte die zuständige Feuerwehr mit. Der Akku sei mit Wasser gelöscht und dann weiter gekühlt worden, um ihn anschließend ins Freie zu transportieren. Offenbar sei es bei Tests des Pakets zu einem thermischen Durchgehen gekommen. Menschen wurden nicht verletzt und Maschinen nicht beschädigt, und am frühen Nachmittag übergab die Feuerwehr das Gebäude zurück an Rivian. Aber aller Anfang ist offensichtlich auch bei Elektroautos schwer und manchmal sogar gefährlich.