In unserer aktuellen Fahrzeugtest-Serie lassen wir alles gegen Tesla antreten, was ausschließlich auf einen Elektromotor als Antrieb setzt. Opels aktueller Ampera-e, nicht zu verwechseln mit dem Ampera aus dem Jahr 2011, passt mit seiner Form (aber nicht mit der Größe) als Gegner eher zum Model X, preislich jedoch eher zum Model 3. Was zeichnet den Ampera-e also aus? Und was nicht?
Konnektivität bei Tesla viel besser
Sofort nach dem Einsteigen in das Opel-Elektroauto fällt auf: Alles wirkt irgendwie einfach – nicht billig, aber sehr wohl etwas preiswerter, als man es in einem Auto um die 44.000 Euro vor Subventionen erwarten würde. Wir lassen uns nicht beirren und schauen direkt auf das Infotainment. Wie bei allen zuvor getesteten Fahrzeugen ist die Opel-Technik kein Vergleich zu Teslas Möglichkeiten. Klar, viele Assistenz-Funktionen sind an Bord. Aber in Bezug auf die Konnektivität wie Netflix, Spotify oder Spielekiste bietet der Opel nichts vergleichbares. Auch im Vergleich zum Cockpit des Model 3 bleibt der Ampera-e weit zurück. Unzählige Tasten, verschiedene Orte, an denen Informationen angezeigt werden, und ein klassischer Wählhebel. Das ist ein Auto aus einer vergangenen Zeit, jedenfalls was das Bedienkonzept angeht. Klar ist auch, dass uns das Tesla Model 3 optisch einfach besser gefällt. Das ist aber Geschmacksache und fließt in unsere Bewertung nicht mit ein.
Elektroautos werden oft nach ihrer Reichweite bewertet und nach der Geschwindigkeit beim Nachladen der Akkus – es bestimmt über ihre Langstrecken-Eignung. Hier zeigt sich die Ambivalenz des Ampera-e. Antwortet man beim ersten Punkt noch zufrieden mit „so etwa 350 km“, muss man bei der zweiten Antwort zugeben „naja, so zwei drei Stunden.“ Das gilt auch am Schnellader. Denn der Ampera-e kann nur knapp 50 kW mit Gleichstrom laden, noch ohne die Einflüsse der Batterie zu berücksichtigen. Das ist wirklich nicht auf der Höhe der Zeit und für uns ein Ausschlusskriterium, zumindest wenn man Langstrecken fahren will oder muss.
Hinzu kommt: Der Elektro-Opel hat eine amerikanische Ladeelektronik an Bord und ist deswegen nur in der Lage, einphasig 4,6 kW bei Wechselstrom aufzunehmen. Selbst zuhause lädt man den Ampera-e also sehr langsam. Das muss man genau bedenken. Unserer Erfahrung mit einem Model 3 nach kommt es häufig vor, dass man zuhause mal schnell einen Zwischenstopp nach dem Abholen vom Kindergarten einlegt, anderthalb Stunden lädt und abends noch mal los muss. Dann hat der Tesla schon knapp 17 kW neu im Akku und fährt 100 km weiter. Beim Ampera sind in der gleichen Zeit maximal 25 bis 30 km geladen. Was denkt sich Opel dabei?
In Bezug auf den Fahrkomfort kann man den Ampera-e ohne Sorge als angenehm bezeichnen. Ja, er ist wie alle Elektroautos recht schwer, aber auch der Schwerpunkt sitzt tiefer als bei herkömmlichen Autos. Das gefällt uns gut, und man kann durchaus etwas sportlicher unterwegs sein. Wir aber finden, dass diese Eigenschaften für einen kleinen Van eher unwichtig sind. Viel wichtiger empfinden wir das gute Platzangebot im E-Ampera. Die 60-kW-Batterie bemerkt man nirgends, der Kofferraum ist angenehm groß und besser zu beladen als der des Model 3. Große Klappe, viel dahinter könnte man meinen. es stimmt aber nicht. Denn: der Ampera-e bietet knapp 380 Liter Kofferraum-Volumen, bei Model 3 sind es 425 Liter – beim Tesla wird das gern unterschätzt. Allerdings stimmt auch die Angabe für diesen wieder nicht so richtig. Schließlich sind die 425 Liter zusammengesetzt: vorn knapp 85 Liter (Model 3 aus Mitte 2020), hinten 340.
Opel-Elektroauto verliert beim Laden
Auch bei den Assistenzsystemen hinterlässt der Ampera-e einen gespaltenen Eindruck. Ja, er hat einen Kollisionswarner und das Erkennen von Geschwindigkeitsbegrenzungen an Bord. Aber, und das können wir Opel kaum verzeihen, es gibt keinen Abstandsregel-Tempomaten. Ein Elektroauto im Jahr 2020 ohne kaufen? Wir würden das nicht machen. Denn ein solcher Tempomat bedeutet einen erheblichen Sicherheitsgewinn, und darauf zu verzichten, können wir uns nicht vorstellen.
Betrachtet man den Ampera-e nur nach seiner Alltagstauglichkeit in der Stadt, verdient er eine gute Bewertung. Wird der Blick allerdings erweitert auf die Lademöglichkeiten und die Sicherheit, fällt er gegenüber Tesla deutlich ab – langsames Schnell-Laden, zuhause Laden mit nur 4,6 kW, kein Abstandsregeltempomat. Das müsste nicht sein, zeigt aber, dass auch bei Elektroautos gilt, was bei Verbrennern schon lange zu beachten war: vor dem Kauf genau recherchieren, um keine bösen Überraschungen zu erleben.
Text und Fotos: Martin Zink