Mit dem Plan, das technische Problem des autonomen Fahrens nur mit Kameras, Ultraschall und Radar sowie künstlich intelligenter Software in den Griff zu bekommen, steht Tesla-CEO Elon Musk (zusammen mit seinen Fans) in der Auto- wie auch der Technologie-Branche ziemlich allein da. Fast jeder andere Anbieter setzt zusätzlich auf Lidar und hochaufgelöste Karten, Musk aber hat erst vor kurzem bekräftigt, dass sogar völlige Autonomie mit der aktuellen Tesla-Hardware funktionieren werde, sobald die Software bereit dafür sei – und das sei schon bald. Jetzt wurde er für solche Aussagen ungewohnt harsch kritisiert, ließ sich davon aber keineswegs beirren.
„Musk sollte den Mund halten“
„Er sollte den Mund halten, bis er etwas liefern kann“, sagte laut einem Bericht von Teslarati Sam Abuelsamid, leitender Analyst bei der Marktforschungsfirma Guidehouse Insights, gegenüber Automotive News mit Blick auf den Tesla-Chef und seine Autonomie-Aussagen. Die Autos, die Tesla derzeit baue, würden niemals die höchste autonome Stufe 5 erreichen, also Fahr-Fähigkeit unter allen auch für Menschen akzeptablen Bedingungen. „Fast“ sicher werde der Tesla-Ansatz mit KI-Systemen von Anfang bis Ende grundsätzlich nicht funktionieren.
Das Wort von Abuelsamid hat einerseits Gewicht, weil er immerhin zu einer größeren Beratungsfirma gehört. Früher wurden Technologie-Studien von Guidehouse unter der Marke Navigant Research veröffentlicht, und auch Tesla und Autonome-Systeme waren darin schon Thema. Tesla-Anhängern stieß dabei sauer auf, dass Navigant Musks Unternehmen anders als sie und er selbst mit dem Autopilot-System ganz hinten sah. Wie der Blog CleanTechnica allerdings aufklärte, betrifft das nur die geschäftliche Positionierung, nicht die technischen Fähigkeiten.
„Tesla-System wirklich schlecht“
Dennoch ließ der Analyst jetzt keinen Zweifel daran, dass er auch Teslas Technik nicht für so weit fortgeschritten und weiterzuentwickeln hält wie Musk. Und fast noch deutlicher äußerte sich laut Teslarati Missy Cummings, Leiterin des Labors für Menschen und Autonomie an der Duke University in Kalifornien: Auf keine Weise, Art oder Form könne Tesla mit heutiger Technologie Level 5 erreichen – Musk habe nicht einmal verstanden, was diese Stufe bedeute, soll sie gesagt haben. Ihr Labor kenne das Wahrnehmungssystem von Tesla, „und das ist ein wirklich schlechtes System“.
We need to finish upgrading Autopilot to 4D vs ~2.5D, then it will go up very steep slopes
— Elon Musk (@elonmusk) July 22, 2020
Das sind zweimal harte Worte, die sich in ihrer Deutlichkeit und zugleich durch die Tatsache, dass sie von zunächst als neutral anzusehenden Beobachtern stammen, von anderen skeptischen Äußerungen abheben. Mindestens im selben zeitlichen Zusammenhang aber äußerte sich Tesla-Chef selbst erneut voller Optimismus für Autonomie mittels Autopilot: Zunächst müsse ein Updgrade des Systems von „ungefähr 2,5D auf 4D“ erledigt werden, dann werde es mit einem sehr steilen Anstieg weitergehen.
4 Dimensionen für Tesla-Autopilot
Das passt zu Aussagen von Musk aus diesem Jahr, laut denen etwa ab Herbst viele neue Autopilot-Funktionen bei Tesla fertig werden sollen, weil sich eine grundlegende Überarbeitung dem Abschluss nähere. Noch Anfang Juli hatte er allerdings von 3D gesprochen, in 2 bis 4 Monaten. Die jetzt erwähnte vierte Dimension beziehe sich wohl auf die Zeit, wurde auf Tesla-Twitter geklärt. Der Autopilot soll also nicht nur in allen drei Raum-Achsen erkennen, wo er sich befindet, sondern auch im zeitlichen Verlauf.
Ob das wieder neue Software-Arbeiten und damit Verzögerungen bedeutet oder Musk nur inzwischen ein noch schickerer Begriff für das 3D-Konzept eingefallen ist, blieb dagegen vorerst offen. Aber die meisten glauben dem Tesla-Chef ja ohnehin nicht, dass irgendetwas davon funktionieren wird.