In China mit seiner weniger ausgeprägten Betonung individueller Bürger-Rechte und seinen klaren Vorgaben für wirtschaftliche Entwicklung konnte Tesla seine heute wichtigste Elektroauto-Fabrik innerhalb von weniger als einem Jahr bauen und zum Laufen bringen – es kann aber auch passieren, dass der mächtige Staatsapparat ein solches Projekt verzögert oder sogar ganz verhindert. Den zweiten Teil dieser Erfahrung macht Tesla derzeit offenbar ebenfalls: Schon länger ist in China eine weitere Elektroauto-Gigafactory geplant, doch die nationale Planungskommission soll derzeit keine neuen zulassen.
Keine Freigabe für zweite Tesla-Fabrik
Länger und häufiger als Tesla-Werke im Westen war die Anfang 2020 offiziell gestartete chinesische Gigafactory (s. Foto oben) zwar von Corona-Sperren und anderen -Einschränkungen betroffen, doch ansonsten macht sie CEO Elon Musk viel Freude. Im vergangenen Jahr steuerte sie mit gut 700.000 Model 3 und Model Y mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion bei – und das bei der höchsten Qualität unter allen Tesla-Fabriken, wie Musk bei einem Besuch in China Ende Mai sagte.
Die Kapazität gibt Tesla seit einiger Zeit mit „>750.000“ Fahrzeugen pro Jahr an, und bei voller Auslastung soll sie nach Berichten sogar bei mehr als 1 Million Elektroautos liegen; im bisherigen Rekord-Monat November 2022 wurden gut 101.000 Model 3 und Model Y aus chinesischer Produktion verkauft. Schon Anfang vergangenen Jahres gab es außerdem Gerüchte über eine zweite Gigafactory nahe der ersten in Shanghai. Im April soll Tesla die Pläne in einem Brief an lokale Behörden bestätigt und eine geplante Kapazität von 450.000 Elektroautos pro Jahr genannt haben.
Im früheren China-Tempo hätte das bedeuten können, dass die neue Tesla-Fabrik mittlerweile läuft. Doch laut einem Bericht von Reuters stellt sich inzwischen die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform quer, die für die makroökonomische Planung der chinesischen Wirtschaft zuständig ist: Nach Angaben von anderen Unternehmen und Analysten zeigt sie sich zurückhaltend bei der Zulassung zusätzlicher Elektroauto-Fabriken, weil sie Überkapazitäten und eine Verschärfung des von Tesla begonnenen Preiskriegs in China fürchtet.
Elektroauto-Produktion in China billiger
Tesla ist also einer der Auslöser, aber nicht das einzige betroffene Unternehmen. Laut dem Bericht wird zum Beispiel auch der Eintritt des Smartphone-Herstellers Xiaomi in den Elektroauto-Markt dadurch erschwert, dass die Kommission mit Fabrik-Genehmigungen zögert. Das Startup Lucid aus den USA soll ebenfalls an einer Produktion in China interessiert sein, aber signalisiert bekommen haben, dass die Chancen dafür gering sind.
Neben Tesla und lokalen Startups wollen auch etablierte westliche Hersteller Elektroautos zunehmend in China produzieren und dann in die Heimat-Regionen exportieren – die EU denkt deshalb offenbar bereits über Handelsschranken nach. Die Gründe für die Attraktivität des Standorts liegen auf der Hand: Nach Angaben des Finanzvorstands von Nio kostet die Produktion von Elektroautos in China 20 Prozent weniger. Tesla machte beim jüngsten Besuch von Musk laut Reuters zumindest Fortschritte bei seinem Gigafactory-Anliegen, hat aber offenbar noch keinen Durchbruch erreicht.