Mit dem Taycan hat der deutsche Sportwagenhersteller Porsche lange nach Tesla ein Elektroauto vorgestellt, das klassische und neue Porsche-Kunden rasant schnell in das Zeitalter der Elektromobilität befördern soll. Keinen guten Eindruck machte der elektrische Sportwagen allerdings beim Verbrauch nach der strengen Norm der US-Behörde EPA, der vergangene Woche veröffentlicht wurde. Eine deutsche Unternehmensberatung bescheinigt dem Taycan jetzt trotzdem, Sieger bei einer neu entwickelten Kennzahl für schnelles elektrisches Ankommen zu sein.
„P3 Charging Index: Vergleich der Schnellladefähigkeit verschiedener Elektrofahrzeuge aus Nutzerperspektive“ lautet der wissenschaftlich klingende Titel einer Studie der P3 automotive GmbH, die vergangene Woche von dem Portal electrive.net veröffentlicht wurde. Nach den Angaben auf der Homepage von P3 bietet das Unternehmen mit Sitz in Stuttgart „Internationale Unternehmensberatung und innovative Ingenieursdienstleistungen“. Allerdings ist auf seinen Seiten keinerlei konkreter Hinweis auf die Studie zu finden, sie scheint also ausschließlich über electrive veröffentlicht worden zu sein.
Die Ergebnisse haben es jedenfalls in sich – und sorgten bei Kommentatoren unter dem Artikel dazu sofort für Kritik. Denn nach dem von P3 entwickelten Charging Index liegt der Porsche Taycan trotz seines hohen Verbrauches bei der Reichweite, die sich innerhalb von 20 Minuten laden lässt, vor allen Modellen von Tesla einschließlich des schnell ladenden und wenig verbrauchenden Model 3. Nach 20 Minuten soll der Elektro-Porsche wieder genügend Strom für 216 Kilometer Fahren haben, der Tesla lädt laut P3 in derselben Zeit nur 197 Kilometer nach (und das Model S sogar nur 160 Kilometer).
Nach den von P3 verwendeten Werten wäre sogar der kommende VW ID.3 beim Reichweite-Nachladen schneller als das Model 3 von Tesla: Für das im nächsten Jahr auf den Markt kommenden Kompakt-Elektroauto haben die Berater 211 Kilometer innerhalb von 20 Minuten berechnet.
Allerdings wirft die Studie tatsächlich Fragen auf. So wird als Grundlage der Berechnung nicht der Maximalwert für die Ladeleistung verwendet, sondern ein Durchschnittswert für das Laden von 20 auf 80 Prozent. Das ist so weit korrekt, denn insbesondere bei den Elektroautos von Tesla nimmt die Ladeleistung nach anfänglichen Spitzen rasch ab; das Model 3 etwa schafft an den neuesten V3-Superchargern von Tesla 250 Kilowatt, das aber nur von etwa 5 Prozent bis 15 Prozent Akku-Füllung. Dieser Bereich wird von P3 aber ignoriert, weil die Autoren der Studie Laden von 20 bis 80 Prozent als „idealen Ladebereich“ definieren und somit die Leistung vor Erreichen von 20 Prozent nicht berücksichtigen.
Für den Porsche Taycan wird zudem eine Ladekurve verwendet, die Leistungen bis zu 270 Kilowatt zeigt – dabei hat Porsche selbst angegeben, dass diese Leistung voraussichtlich erst 2021 in der Realität möglich sein wird. Öffentliche Ladevorgänge des Tacyan mit bis zu 270 Kilowatt hat es bislang nicht gegeben, nur einen Test an einer Säule von Electrify America in diesem September.
FIRST and FASTEST! With its 800-volt architecture, the new Porsche Taycan charged from 5 to 80 percent in a swift 22.5 minutes. It’s the first EV to plug-in at the maximum level of 270 kW. Link to article: https://t.co/w0yzGatz0d #ElectrifyAmerica pic.twitter.com/D1meyba5iA
— Electrify America (@ElectrifyAm) September 9, 2019
Wie beim Taycan verwendet die Studie auch beim VW ID.3 Ladedaten, die nicht aus der Praxis stammen. Beim Porsche beruhen sie laut einer Fußnote auf Herstellerangaben, bei VW sollen sie von P3 geschätzt worden sein. Zu den Quellen für die Ladekurven für Tesla Model 3, Model S und Model X sowie weiterer Elektroautos von Mercedes, Audi, Jaguar, Kia und Hyundai werden keine Angaben gemacht. Auch bei den für das Ergebnis ebenfalls entscheidenden Verbrauchswerten von Porsche Taycan und VW ID.3 weist eine Fußnote darauf hin, dass diese „berechnet“ seien, weil noch keine realen Daten vorlägen.