Bild: Tesla (Produktion in deutscher Gigafactory)
Mit seinen Geschäftszahlen für das erste Quartal 2022 hat Tesla die Erwartungen, wenn auch mit einigen Sondereffekten, bei weitem übertroffen und mehrere Analysten dazu gebracht, ihre Bewertungen oder Kursziele für die Aktie anzuheben. Die Anlagefirma Loup Ventures musste das nicht, denn sie sagt Tesla schon seit Ende 2020 Kurse bis zu 2500 Dollar voraus. Trotzdem zeigte sich Gene Munster, einer ihrer Gründer, ebenfalls angetan von den Quartalszahlen und Aussagen des Managements in der anschließenden Konferenz.
Tesla-Lehren aus Apple-Beobachtung
Munster investiert mit Loup schon lange in Tesla und warnt parallel, dass der etablierten Industrie trotz ihrer Elektroauto-Ambitionen schwierige Zeiten bis hin zu Pleiten ins Haus stehen. Kurz gesagt hält er sie bei den Kosten nicht für konkurrenzfähig, was sie entweder zum Aufgeben von Marktanteilen oder zu Verlusten zwinge. Tesla wiederum könne zum größten Auto-Hersteller der Welt werden, wenn es in 10-15 Jahren auf die anvisierten 20 Millionen Elektroautos pro Jahr gewachsen sei.
Bei der näheren Beschäftigung mit dem Material zum ersten Quartal sei ihm aber klarer geworden, dass Tesla Potenzial habe, mehr als ein Elektroauto- und auch als ein Energie-Unternehmen zu sein, schreibt Munster in einer aktuellen Einschätzung. Wenn er anwende, was er in 20 Jahren Apple-Beobachtung gelernt habe, zeige sich, dass nicht nur die traditionelle Auto-Branche in Schwierigkeiten sei.
So sieht der Investor zum einen Fahrdienst-Anbieter wie Lyft und Uber durch Tesla gefährdet. Den Beta-Test mit der Autopilot-Software FSD auf öffentlichen Straßen bezeichnet er zwar kritisch als verfehlt. Aber trocken hält er auch fest, dass Tesla sich dadurch einen entscheidenden Vorsprung beim Sammeln von Daten für neuronale Netze verschaffen könne. In der Telefon-Konferenz nach Veröffentlichung der Geschäftszahlen kündigte CEO Elon Musk die Serienproduktion eines speziellen Robotaxis ab 2024 an. Munster geht davon aus, dass es später kommen wird. Aber auch so blieben Lyft und Uber in ihrer heutigen Form nur noch etwa vier Jahre. Denn selbst wenn sie mit Partnern eigene autonome Autos auf die Straße bringen könnten, werde es ihnen an ausreichend Produktionskapazität fehlen.
Dynamische Versicherung und FSD-Roboter
Ob diese Erwartung aufgeht, hängt natürlich davon ab, ob und wann die für ein Robotaxi ohne Lenkrad und Pedale nötige Autonomie-Software fertig wird. Unterdessen hat Tesla laut Munster aber mit bescheidener Computer-Intelligenz schon begonnen, eine andere Branche aufzumischen: Versicherungen. In Texas sei das Unternehmen mit seinem Angebot innerhalb von sechs Monaten zum zweitgrößten Versicherer der eigenen Elektroautos geworden, und in der Telefon-Konferenz ging Finanzchef Zachary Kirkhorn davon aus, bis Sommer der größte zu sein.
Eine so dynamische Prämien-Berechnung wie bei Tesla ist laut Munster bei traditionellen Anbietern nicht möglich, weil es ihnen an Daten und direktem Feedback fehlt. Und für Zeiten, in denen kein Mensch mehr am Steuer sitzt und deshalb auch keine Hinweise vom Computer mehr braucht, bereite Tesla schon eine Mehrwert-Dienstleistung als Versicherung vor: Reparaturen am selben Tag.
Zu dem humanoiden Roboter Optimus, der bei Tesla erst vor kurzem überraschend auftauchte, laut Musk jetzt aber sogar wichtiger werden soll als das Software-Geschäft mit FSD, gibt der Loup-Investor unterschiedliche Standpunkte von zynisch über pragmatisch bis optimistisch wieder. Wenn Tesla wirklich einen menschenähnlichen Roboter auf die Beine stelle, der physische Arbeiten übernehmen kann, würde das für Aktionäre tatsächlich mehr Wert schaffen als Elektroautos und autonomes Fahren, schreibt er. Die Chance dafür, dass das gelingt, sei gering, aber einen Versuch wert.
Musk: Tesla besteht aus Dutzend Startups
Weitere bedeutende Märkte, die Tesla dank Synergien und des wie beim Apple-Gründer Steve Jobs „anderen Denkens“ von Musk erobern könnte, zählt Munster nur kurz auf – zusätzlich Energie und vielleicht elektrische Flugzeuge, die senkrecht starten und landen. Bei vielem davon gehe es noch um Jahrzehnte, doch wenn Tesla nur eine oder zwei der neuen Märkte gewinne, sei weitaus mehr als nur die Auto-Industrie gefährdet. Ungefähr zur Zeit der Veröffentlichung dieser Überlegungen, aber offenbar unabhängig davon, schrieb CEO Musk auf Twitter, Tesla bestehe eigentlich aus einem ganzen Dutzend Startups.