Für manche Beobachter ist elektrisches Fliegen heute an dem Punkt, an dem sich Fahren mit Strom vor etwa zehn Jahren befand: Es ist schon möglich, aber hinsichtlich Technik und Infrastruktur noch eine Herausforderung. Wenn sich die Analogie fortsetzt, könnte sich das bald ändern, und reihenweise Unternehmen wollen dazu beitragen. Tesla ist bislang nicht darunter – doch laut einer Bank-Studie ist damit zu rechnen, dass das auf Dauer nicht so bleiben wird.
Teslas überall – auch in der Luft?
Tesla-Luftfahrt sei eine Frage des „wann“, nicht des „ob“, lautet die Überschrift der Studie von Morgan Stanley, die am Donnerstag über Twitter ihren Weg in die Öffentlichkeit fand. Die Analysten dort sehen Tesla auch ohne Flugzeuge sehr positiv: Für den Basis-Fall sagen sie der Aktie einen Anstieg auf 900 Dollar voraus. Mit elektrischer Luftfahrt aber könne sie langfristig noch 1000 Dollar mehr wert sein.
Besonders intensiv wird bei elektrischen Fluggeräten an so genannten VTOL gearbeitet, also senkrecht startenden und landenden Transportmitteln, meist angetrieben von mehreren Propellern. Laut Morgan Stanley lockt in diesem Bereich ein riesiger neuer Markt, der bis 2050 ein Gesamt-Volumen von 9 Billionen Dollar erreichen könne. Dass in diesem Zusammenhang kaum jemand von Tesla spreche, liege schlicht daran, dass CEO Elon Musk sich zu dem Thema anders als zu vielen anderen kaum äußere. „Wir werden Teslas auf den Straßen haben, unter der Erde in Tunnels, auf dem Mars. Aber nicht am Himmel über der Erde? Davon sind wir nicht überzeugt“, schreiben die Analysten.
NEWS: Adam Jonas Just Put Out An Extensive 17 page Research Report on $TSLA Aviation:
"The chance that Tesla doesn't ultimately offer products & services to the eVTOL/UAM market is remote. The potential skills transferability & network adjacencies are too strong to ignore"
1/17 pic.twitter.com/GET6vWjsTd
— Sawyer Merritt (@SawyerMerritt) July 15, 2021
Denn ihrer Ansicht nach verfügt Tesla bei fast allen Aspekten des kommenden Billionen-Marktes mit Elektro-VTOL und darauf basierendem Luft-Transport in Städten über beste Voraussetzungen. Effiziente Motoren werden auch für fliegende Maschinen gebraucht, und Tesla entwickelt sie für seine Elektroautos selbst. Batterien sind eine weitere Gemeinsamkeit – hier sieht Morgan Stanley Tesla noch besser aufgestellt. 2019 habe CEO Musk gesagt, ab einer Energie-Dichte von 400 Wattstunden pro Kilogramm sei Fliegen mit Akkus realistisch, und Tesla werde diesen Wert wohl deutlich vor Mitte dieses Jahrzehnts erreichen.
In der effizienten Volumen-Produktion ist Tesla für die Analysten ebenfalls zunehmend erfahren, und seine Kompetenz bei Systemen für automatisiertes Fahren werde auch in der Luftfahrt gebraucht. Hinzu komme die Fähigkeit, mittels Software eine große Flotte zu steuern und aktuell zu halten. Und bei der nötigen Vernetzung komme Tesla die Zusammenarbeit mit Musks Weltraum-Unternehmen SpaceX mit seinem Internet-Dienst Starlink zugute. Nur bei Regulierung und Zertifizierung sieht Morgan Stanley keinen besonderen Start-Vorteil für Tesla, weil Sicherheitsregeln für die Luft weitaus strenger seien als für die Straße.
Potenzial von 1000 Dollar pro Aktie
Einstweilen sind mögliche Tesla-VTOLs noch viel mehr Zukunftsmusik als die anderen langfristigen Vorhaben, die CEO Musk verfolgt. Im aktuellen Kursziel für die Aktie von 900 Dollar ist dieses Potenzial laut Morgan Stanley deshalb noch nicht berücksichtigt. Dennoch sollten Anleger diese Möglichkeit auch für andere Elektroauto-Hersteller im Auge behalten. Allein bei Tesla könnte das Flug-Geschäft in Zukunft laut der Studie abhängig von den Annahmen zu Gesamtmarkt, Anteilen und Margen mindestens 100 Dollar pro Aktie wert sein, und im Idealfall sogar 1000 Dollar oder mehr.