Innerhalb von fünf Tagen hat das damals noch recht kleine Team bei Tesla im Februar 2012 einen Fehler in der Konstruktion des Model S behoben, der den für vier Monate später geplanten Start der Auslieferungen gefährdete. Bei einem Crash-Test erwies sich ein Element für die Aufnahme von Aufprall-Energie in der Front-Stoßstange als zu wenig stabil – und vor dem nächsten Test musste es verstärkt werden, um im Zeitplan zu bleiben. „Regelt das“, forderte Tesla-CEO Elon Musk nur, und mit höchstem Einsatz einschließlich einer nächtlichen Autofahrt zum Test-Zentrum kam die Verstärkung gerade noch rechtzeitig, um in das dort wartende Elektroauto eingebaut zu werden. Im Juni übergab Tesla die ersten Model S an ihre Kunden.
5 Tage bei Tesla, 6 Monate bei Audi
Diese Episode erzählt in einem Beitrag von Monday Note auf der Plattform Medium Philippe Chain, nach den Angaben dazu ab 2011 Qualitätschef bei Tesla, der die nach dem Aushärten im Ofen noch warmen Crash-Elemente persönlich zu dem Test brachte. Und genau diese Vorgehensweise des Elektroauto-Pioniers sei das, was Tesla wohl noch auf Jahre einen Vorsprung vor den direkten Konkurrenten aus der alten Welt sichern werde: Was bei Tesla mit einem einzigen Meeting innerhalb von fünf Tagen gelöst wurde, hätte laut Chain bei Renault oder Audi einen sechs Monate langen Prozess auf vielen Hierarchie-Ebenen mit Schuldzuweisungen ausgelöst.
Der heutige Berater sollte es wissen, denn sowohl für Renault (vor seiner Tesla-Zeit) als auch für Audi (nach Tesla, für die Entwicklung des Elektroautos e-tron) hat er schon gearbeitet. In seiner Zeit bei Tesla habe es unter Musk nur zwei Hierarchie-Ebenen gegeben, berichtete er, bei Audi habe er es mit vier Stufen allein in der Entwicklung plus zwei weiteren in der Gesamt-Organisation zu tun gehabt. Als Folge davon bewege sich Tesla „unvergleichlich viel schneller als zum Beispiel Audi“.
„Schnelle Tesla-Kultur bleibt vorn“
Interessanterweise hat genau der Chef von Audi vor kurzem zu Protokoll gegeben, dass er Tesla anders als viele Beobachter gar nicht so weit vorne sieht. Doch die Aktivitäten bei der Volkswagen-Marke sprechen eine andere Sprache: Anfang Juni gab Audi den Start eines zusätzlichen Teams bekannt, das ungehindert von Konzern-Strukturen und parallel zu diesen ein Leuchtturm-Elektroauto entwickeln soll – bis 2024.
„Ohne Frage bringen etablierte Auto-Hersteller agile Methoden in ihre Prozesse ein“, schreibt dazu der Berater Chain. Ihr wichtigster Wert seien aber immer noch saubere Prozesse mit strengen Regeln und Methoden – sich von dieser Kultur zu lösen, könne lange Zeit dauern. Die Begeisterung von jungen Ingenieure werde schnell gedämpft, wenn sie auf eine so „sperrige Technokultur“ stoßen, während Tesla weiter alles tun werde, um vorn zu bleiben. „Der Vorsprung ist gekommen, um zu bleiben“, schlussfolgert Chain.