Über das erste Foto von Olaf Scholz mit Augenklappe amüsierte sich und berichtete ab diesem Montag praktisch die gesamte Welt, und bei seinem Besuch der IAA Mobility 2023 einen Tag später begann der Bundeskanzler seine Rede selbst mit einer launigen Bemerkung dazu: Das vergangene Wochenende habe ihm gezeigt, dass es auf manchen Strecken besser sei, das Auto zu nehmen, erklärte er passend zum Anlass in einer Anspielung auf seinen Jogging-Unfall vom Wochenende. Von einer existenziellen Bedrohung der deutschen Auto-Industrie wollte der Kanzler ansonsten nichts wissen.
Kanzler sieht tiefe Elektroauto-Wurzeln
In einem etwas bemüht wirkenden historischen Ausflug legte Scholz laut seinem Rede-Manuskript dar, nicht nur fossile Mobilität habe in Deutschland eine mehr als hundertjährige Tradition: 1888 sei in München erstmals der Benz Patent-Motorwagen vorgeführt worden, was zur Geburt der deutschen Automobil-Industrie geführt habe. Aber im selben Jahr habe ein oberfränkischer Unternehmer das wahrscheinlich weltweit erste Elektromobil mit vier Rädern entwickelt. Auch die E-Mobilität habe also „tiefe Wurzeln hier in Deutschland“.
Während Berater zunehmend warnen, dass mit der Erfinder-Nation der ganze Westen von chinesischen Elektroautos abgehängt werden könnte, erklärte der Kanzler, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in der Branche stehe „völlig aus der Frage“. Als besondere Standort-Stärken nannte er tiefes Know-how, hohe Dichte an Zulieferern, mittelständische Weltmarktführer und anwendungsbezogene Forschung. Es sei auch kein Zufall, dass Tesla sein Europa-Werk in Brandenburg errichtet habe, und dass Ford in seinem Kölner Werk Elektroautos produzieren wolle.
Die deutsche Automobilwirtschaft und der Bund gehen als Team die Revolution der Mobilität an! Made in Germany treibt die nachhaltige Erneuerung voran. Und wir fördern mit gut 110 Milliarden Euro den dafür notwendigen Umbau und sichern so unseren technologischen Vorsprung. #IAA23 pic.twitter.com/tLXSGKHoQ2
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) September 5, 2023
Weitere lobende Erwähnungen mit Namen in der Kanzler-Rede auf der IAA bekamen die Batterie-Hersteller ACC, Northvolt und CATL, die ebenso wie alle großen deutschen Auto-Hersteller „landauf, landab“ massiv in neue Fabriken investieren würden. Dem chinesischen Weltmarktführer stattete der Kanzler laut Berichten später auch einen Besuch auf dessen Messestand ab. Bei BMW war er ebenfalls, wie ein von dem Verband VDA veröffentlichtes Foto des Kanzlers mit Augenklappe zusammen mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (s. oben) zeigt. BYD aus China, das bei der Messe mehrere neue Elektroautos für Europa zeigte, ließ er dagegen links liegen.
Kein Scholz-Besuch auf Tesla-Stand
Auch an dem kleinen Tesla-Stand in Halle 2 der IAA nicht weit von CATL und BMW wurde Scholz offenbar nicht gesehen. Immerhin hatte er das US-Unternehmen aber schon zum offiziellen Produktionsstart in der jetzt erneut erwähnten deutschen Gigafactory im vergangenen März mit seiner Anwesenheit und einer Rede gewürdigt. (Korrektur: Ein Youtube-Kanal entdeckte den Kanzler sowohl im Model 3 als auch im Model Y bei Tesla auf der IAA).
— EFIEBER (@EFIEBER_ANDRE) September 5, 2023
Allgemein erklärte der Bundeskanzler in seiner Rede, Konkurrenz solle anspornen, nicht erschrecken. Die Bundesregierung bleibe bei ihrem Ziel, bis Ende des Jahrzehnts 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben. Zwei neue Maßnahmen sollen jetzt dazu beitragen: Erstens werde Deutschland die Betreiber fast aller Tankstellen verpflichten, auch schnelle Ladesäulen zu installieren. Zweitens soll es im Herbst ein neues KfW-Programm geben, mit dem Photovoltaik in Kombination mit Akkus und Ladestationen zuhause gefördert wird. Bei seinem ersten IAA-Besuch als Kanzler hatte Scholz also Elektroauto-Zuckerbrot ebenso wie eine kleine Peitsche mitgebracht.