Was ist ein Premium- oder sogar Luxus-Elektroauto? Die Modelle von Tesla werden üblicherweise mindestens in die erste Kategorie einsortiert, unter anderem, weil sie viel kosten, schnell fahren und beispiellosen Computer-Komfort bieten. Nachziehende Premium-Hersteller setzen stärker auch auf klassische Luxus-Extras, wollen aber gleichzeitig bei der Info-Technik mit Tesla mithalten oder mehr. Zu ihnen zählt Mercedes, das am Donnerstag sein Edel-Elektroauto EQS mit beeindruckend hoher Reichweite im Detail vorstellen will. Aber irgendjemand dort hat offenbar dafür gesorgt, dass hintere Passagiere im EQS in einer voraussichtlich teuren Option ein veraltetes Samsung-Tablet bekommen.
Mercedes EQS kommt weit, lädt schnell
Nach langen Andeutungen zu einer WLTP-Reichweite von mehr als 700 Kilometern hat Mercedes Ende März auch den konkreten Wert dazu genannt: satte 770 Kilometer, was mehr sein könnte als beim Tesla Model S in seiner aufgefrischten Form (dessen Europa-Wert noch nicht bekannt ist). Das spricht trotz großem Akku für hohe Effizienz, und auch beim Laden gibt sich der Mercedes EQS laut ersten Vorab-Tests keine Blöße.
Im Innenraum ist bei der Elektrolimousine, die das elektrische Pendant zur S-Klasse darstellen soll, natürlich alles voller luxuriöser Extras. Als Option soll ein Bildschirm-System namens Hyperscreen kommen, das im Grunde die gesamte Front des Armaturenbretts zur Touch-Anzeige macht. Tesla-Fans kritisierten, dass der Hyperscreen in Wirklichkeit aus mehreren Teil-Displays zusammengesetzt ist, was möglicherweise etwas kleinlich ist. Der bekannte YouTuber Marques Brownlee aber störte sich an der Bedienung des Haupt-Bildschirms – und entdeckte im Fonds ein fast historisches Stück Technik.
Every six figure Mercedes EQS comes with a Samsung Galaxy Tab 4 from 2014. pic.twitter.com/DmD8URnYSb
— Whole Mars Catalog (Supervised) (@WholeMarsBlog) April 12, 2021
Er sei der erste außerhalb von Mercedes, der im EQS sitzen dürfe, sagt der YouTuber mit mehr als 11 Millionen Followern, der auch schon Tesla-CEO Elon Musk vor die Kamera bekam, zu Beginn seines Videos. Ohne es zu zeigen, freut er sich über das Licht-Farbenspiel, das Insassen des deutschen Elektroautos abhängig von Tempo und Klima innen zu sehen bekommen sollen. Head-up-Display und ein Vogel-Blick auf das eigene Auto sind weitere technische Premium-Features, die es bei Tesla aktuell nicht gibt, ebenso wie Massage-Sitze.
Bei der EQS-Computertechnik im engeren Sinn aber findet Brownlee Schwächen. Den großen Haupt-Bildschirm für Navigation und Bedienung in der Mitte nennt er „beeindruckend“, aber auch „längst nicht so gut, wie er sein könnte“. Denn er zeige wohl nur eine hochskalierte Version der für kleinere Mercedes-Displays entwickelten Darstellung, die jetzt leicht pixelig wirke. Außerdem reagiere der Touchscreen „etwas langsam“ und „etwas unresponsiv“ auf Finger-Eingaben und sei „viel hässlich“ – die Nutzer-Oberfläche sehe veraltet aus, wie vom Windows Media Player.
Samsung-Tablet von 2014 im Fond
Und veraltet ist wohl auch das, was Brownlee im Fond des Mercedes EQS entdeckte. Dort befindet sich (wahrscheinlich als weiteres bezahltes Extra) zwischen den Sitzen ein herausnehmbares Tablet, mit dem hintere Passagiere drahtlos Funktionen bedienen können. Von dem Tech-YouTuber wird es im Video als Samsung Tab S4 in einer neuen Hülle bezeichnet und in einer Einblendung zu „Samsung Tab 4“ korrigiert. Es soll aus dem Jahr 2014 stammen. In einem Auto, das wahrscheinlich mehr als 100.000 Dollar kostet, hätte man vielleicht wenigstens ein iPad mini nehmen können statt ein sieben Jahre altes Modell, schlägt er höflich vor.
Ein veraltetes Extra hinten dürfte angesichts der überzeugenden Elektro-Daten nichts sein, was den Erfolg des Mercedes EQS ernsthaft gefährdet. Ein gutes Licht auf die Prioritäten in der Elektroauto-Entwicklung des deutschen Premium-Herstellers wirft es trotzdem nicht – ebenso wenig wie der langsame Haupt-Bildschirm im Windows-Stil. Und beides zeigt erneut, dass die von Tesla gestellte Herausforderung für die alte Auto-Branche nicht nur im elektrischen Antrieb liegt, sondern vielleicht sogar noch stärker in Digitalisierung.