Für investigativ auftretende Medien ist es stets ein Erfolg, wenn sie einen Skandal ans Tageslicht bringen – das ZDF-Magazin Frontal21 aber hat bei einem solchen Versuch mit der Tesla-Gigafactory bei Berlin als Ziel eher selbst einen verursacht. Das fanden jedenfalls empörte Fans und CEO Elon Musk, denen die Berichterstattung zu einseitig und dabei zudem verzerrt vorkam. Seitdem recherchiert die Redaktion im Verbund mit dem Online-Medium Business Insider (BI) offenbar nach Kräften weiter in Sachen Tesla, doch mehrere ihrer Negativ-Meldungen hielten einer Überprüfung kaum stand. Und danach sieht es auch bei der jüngsten Kooperation der beiden Medien aus.
Tesla im Visier deutscher Medien
So berichteten die Redaktionen Ende April von einem zweiwöchigen „Baustopp“ auf der Tesla-Baustelle in Grünheide wegen „illegaler“ Arbeiten. Das brandenburgische Umweltministerium bestätigte später eine vorübergehende und teilweise Untersagung bestimmter Aktivitäten. Laut dem Bericht ging es um die monatelange Verlegung von Abwasser-Rohren ohne Genehmigung, aus Kreisen des Landes war von wenigen Tagen die Rede. Anfang Mai dann meldeten Frontal und BI überlange Arbeitszeiten, unwürdige und abstandsarme Unterbringung von Arbeitskräften sowie Mindestlohn-Unterschreitungen bei Tesla. Landesbehörden und Zoll kündigten an, diesem Bericht nachzugehen. Bislang sind die konkreten Punkte laut dem Land weder bestätigt noch widerlegt.
Anders sieht es bei dem neuesten Coup-Versuch der beiden Medien aus. Ende vergangener Woche berichteten sie von einem „internen“ Gutachten über die Tesla-Fabrik in Grünheide, laut dem sich darin explodierende Gaswolken bilden und giftige Reizgase innen und in der Umgebung ausbreiten könnten. Dass ein neues Gutachten zu möglichen Störfällen in der Gigafactory vorliegt, bestätigte eine Sprecherin des Brandenburger Umweltministeriums teslamag.de am Dienstag auf Anfrage. Aber es ist alles andere als „intern“, sondern wurde stattdessen dringend erwartet und ist nach ihrer Darstellung ein normaler Teil des aufwendigen Genehmigungsprozesses.
Land wartete auf Tesla-Gutachten
Ende April hat Tesla offiziell das Ziel aufgegeben, in diesem Juli mit der Produktion von Model Y in der deutschen Fabrik zu beginnen. Stattdessen sollen die Anträge dafür jetzt um eine eigene Batterie-Produktion auf demselben Gelände ergänzt werden. Damit nimmt Tesla eine deutlich spätere Genehmigung in Kauf: Aller Voraussicht nach erfordern die Ergänzung und weitere Änderungen eine neue öffentliche Auslegung und Erörterung der Pläne. Ab dem Beginn des neuen Verfahrens würden nach Einschätzung von Brandenburgs Wirtschaftsminister drei Monate bis zu einer möglichen Genehmigung vergehen.
Vorher aber hoffte Tesla oder zumindest die interessierte Öffentlichkeit Monat für Monat auf die Nachricht von der Genehmigung für die Gigafactory. Dass sie bis Ende April nicht erteilt war, lag unter anderem daran, dass noch ein Zweitgutachten ausstand, wie die Sprecherin des Umweltministeriums teslamag.de jetzt erklärte: Schon in den derzeit noch geltenden Anträgen von Tesla für die Gigafactory war ein Gutachten zu möglichen Störfallen bei ihrem Betrieb enthalten. Diese Bewertung zur Einhaltung einschlägiger Vorschriften muss das Landesamt für Umwelt als die zuständige Behörde in Brandenburg überprüfen. Dafür gibt es laut der Sprecherin mehrere Varianten, und Tesla habe in diesem Fall entschieden, einen zugelassenen Gutachter zu beauftragen, dessen Stellungnahme dann als vom Land eingeholt gilt.
Keine neuen Gigafactory-Risiken
Demnach handelt es sich zunächst einmal um einen ganz normalen Verfahrensschritt, der jetzt erledigt ist – einer weniger, der die Genehmigung für die Gigafactory (aus Sicht von Tesla und wohl auch des Landes endlich) nicht mehr verzögern kann. „Die Risiken waren und sind der Genehmigungsbehörde bekannt“, antwortete die Sprecherin auf die Frage, ob mit dem zweiten Gutachten neue Faktoren identifiziert worden seien. Ob neue Einschätzungen derselben Faktoren Anpassungen bei Tesla oder neue Auflagen erforderlich machen könnten, wollte sie vorerst nicht einschätzen: „Das Gutachten wird noch geprüft und ausgewertet.“
Letztlich geht es bei dieser Prüfung vor allem darum, in welche Gefahren-Klasse nach der bundesweiten Störfall-Verordnung die Tesla-Fabrik eingruppiert wird, ließ die Sprecherin durchblicken. Betreiber in der oberen Klasse hätten besondere Meldepflichten und Verhütungsmaßnahmen zu beachten. Von aktuell 180 von der Verordnung erfassten Betriebsbereichen in Brandenburg gelte das für 31 Anlagen. Richtig falsch ist auch der neueste Tesla-Bericht von BI und ZDF allem Anschein nach also nicht – aber auch nicht wirklich richtig.