Zu den chinesischen Startups, die in ihrer Heimat mehr Elektroautos verkaufen als die zuvor dort dominierende deutsche Marke Volkswagen, zählt das inzwischen an der US-Börse notierte Unternehmen Nio. Seit vergangenem Jahr sind seine im Premium-Segment angesiedelten Elektroautos auch in Deutschland zu haben, spielen mit zusammen 136 Neuzulassungen im ersten Quartal dieses Jahres bislang aber kaum eine Rolle. Doch das soll sich ändern: Wie der Mitgründer und CEO sagt, macht ihm selbst Tesla keine Angst. Und den großen Konkurrenten Volkswagen will William Li mit einer neuen Elektroauto-Marke auch in Europa unter Druck setzen.
Nio sieht sich nicht in Tesla-Segment
Nachdem Tesla seine Preise Anfang dieses Jahres zunächst in China gesenkt hatte, zogen mehrere lokale Hersteller wie insbesondere BYD nach. Nio aber wollte sich in einen solchen Preiskrieg nicht verwickeln lassen und hält bislang daran fest: „Wir werden da nicht mitmachen“, sagte Li vergangene Woche in einem Interview mit dem Spiegel. Insbesondere im Premium-Segment müsse ein gutes Auto seinen Preis haben, auch wegen der Restwerte. Die eigenen Elektroautos seien bereits rund 20.000 Dollar teurer als vergleichbare von Tesla, die in China nur 6 Prozent Marktanteil hätten.
Eine Besonderheit bei Nio ist, dass das Unternehmen nicht nur eigene Standorte für schnelles Laden aufbaut, sondern auch ein Netz von Stationen für Akku-Tausch (s. Foto oben). In China gibt es bereits mehr als 1000 davon, in Europa laut dem Spiegel-Bericht bislang 13 statt geplanter 20, was laut Li an komplizierten Genehmigungen und Fachkräfte-Mangel liegt. Dabei hätten von den Stationen nicht nur die eigenen Kunden Vorteile, sondern auch die Kommunen, in denen sie stehen: Die dort vorgehaltenen Elektroauto-Batterien könnten auch Strom ins Netz einspeisen.
Auch wenn er erklärte, in einem anderen Segment tätig zu sein als Tesla, sagte Li in dem Interview weiter, durch die branchenweit sinkenden Preise werde das Nio-Ziel, in diesem Jahr profitabel zu werden, schwieriger zu erreichen. Trotzdem solle der Aufbau von Akku-Stationen beschleunigt werden, und beginnend in diesem Mai wolle das Unternehmen fünf neue Elektroauto-Modelle auf den Markt bringen, um das Umsatz-Wachstum in Gang zu halten.
Europa-Marke für billigere Elektroautos
Zu dem bislang mäßigen Verkaufserfolg in Deutschland sagte Li, auf solchen gesättigten Märkten müsse man Geduld haben. Das digitale Angebot von Nio werde in einem Entwicklungszentrum in Berlin an europäische Kundenwünsche angepasst. Zudem gebe es in Europa viel Nachfrage nach Elektroautos im kleinen und kompakten Format – und auch die will das chinesische Unternehmen bedienen: Li kündigte zwei zusätzliche Marken neben Nio an, eine davon ausdrücklich auf den europäischen Markt ausgerichtet und für das Preis-Segment unterhalb von 30.000 Euro.
„Was den Preis angeht, greifen wir damit stärker als bisher auch Volkswagen an“, bejahte Li die Frage, ob dieser Plan verstärkte Nio-Konkurrenz für etablierte Volumen-Anbieter bedeute. Wann es damit losgeht, sagte er nicht, bestätigte aber, dass auch die billigeren Elektroautos mit wechselbaren Akkus ausgestattet sein werden. Damit biete man „ein ganz anderes Produkt als die anderen Hersteller“. Tesla kam im Europa-Teil des Interviews offenbar nicht direkt zur Sprache, dürfte damit aber ebenfalls gemeint gewesen sein. Sowohl Tesla als auch VW planen Elektroautos für Preise um 25.000 Euro, die aber nicht vor 2025 auf den Markt kommen dürften.