Mehrere kritische Sitzungen des Aufsichtsrats hat der VW-Konzernchef Herbert Diess zuvor mehr oder weniger unbeschadet überstanden, aber am Freitag war Schluss: Nachdem sein Vertrag nach einer dieser Sitzungen im vergangenen Jahr vorzeitig bis 2025 verlängert worden war, wird er jetzt kurzfristig beendet. Zum 1. September scheide Diess als Vorstandsvorsitzender aus, teilte Volkswagen am Abend mit. Sein Nachfolger wird Oliver Blume, der das Amt zusätzlich zu seinem Chef-Posten bei Porsche übernimmt.
Elektroauto-Kurs bei VW bleibt
Nach den Angaben in der Pressemitteilung erfolgt der vorzeitige Abschied im gegenseitigen Einvernehmen. Aus Sicht des Aufsichtsrates habe Diess zahlreiche Produkt-Impulse gesetzt, Produkt-Portfolios neu ausgerichtet und „die klare Ausrichtung auf Elektromobilität auf den Weg gebracht“. Mit dem letzten Punkt war er bisweilen intern angeeckt, vor allem, weil er die schwergängigen Strukturen von Volkswagen kritisierte und immer wieder offen Tesla als Vorbild anführte. Schon im Vorfeld wurde deshalb gelegentlich spekuliert, Diess würde möglicherweise zu Tesla wechseln, zumal er und CEO Elon Musk immer wieder öffentlich Nettigkeiten austauschten.
Als Abschied vom Tesla-Kurs dürfte der Abgang von Diess nur insofern zu verstehen sein, als der Name des großen Konkurrenten vom neuen VW-Vorstandschef möglicherweise nicht mehr so oft zu hören sein wird. Der anhaltende Elektroauto-Kurs des Konzerns aber steht schon deshalb fest, weil die politischen Rahmenbedingungen jedenfalls in Europa keine andere Wahl mehr lassen. Vor kurzem scheiterte der wohl letzte Versuch, die EU von einem faktischen Verbot für Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 abzubringen.
In seinem Amt bei Porsche ist Blume gerade dabei, den Sportwagen-Hersteller in einer für VW typischen komplizierten Transaktion an die Börse zu bringen. Besser getrennt von den Volumen-Marken des Konzerns und mit Elektroauto-Fokus lockt eine hohe Bewertung, für die doch wieder Tesla das Vorbild sein könnte. Der neue VW-Chef soll aber auch hinterher noch Porsche führen. Etwas getrübt wird sein Image zum Amtsantritt durch Meldungen vom Vortag, laut denen er sich intern brüstete, Porsche haben großen Anteil daran, dass die Ampel-Regierung E-Fuels als Ausnahme zu einem Verbrenner-Verbot in ihren Koalitionsvertrag aufnahm.
Diess verabschiedet sich auf LinkedIn
Diess wiederum hatte sich am Freitag schon einige Stunde vor der Nachricht über sein vorzeitiges Ausscheiden auf LinkedIn gut gelaunt verabschiedet – aber eigentlich nur in den Urlaub. Mit dem neuen Wissen lesen sich seine Grüße, begleitet von einem Foto beim Aussteigen aus einem ID.Buzz-Elektroauto (s. oben), natürlich trotzdem wie eine Bilanz nach gut vier Jahren als VW-Chef. 2015 soll Diess schon einmal ein Angebot als Tesla-CEO vorgelegen haben. Diesen Job scheint Elon Musk bis auf Weiteres nicht mehr hergeben zu wollen, aber an anderer Stelle hätte er für den erfahrenen Manager sicher noch Verwendung.