Nach intensiven Verhandlungen haben sich die Umweltminister der EU-Mitgliedsstaaten in der Nacht auf Mittwoch auf eine gemeinsame Position zu dem Klima-Paket „Fit for 55“ geeinigt, das die Europäische Kommission vor einem Jahr vorgelegt hatte. Nicht in Frage stand, dass die Minister und damit die jeweiligen Länder die Vorgabe mittragen würden, dass ab 2035 nur noch Autos ohne CO2-Emissionen neu zugelassen werden dürfen. Bis zuletzt offen war aber, ob es auf deutschen Wunsch hin eine explizite Ausnahme für neue Verbrenner-Autos geben würde, die mit synthetischen Treibstoffen (E-Fuels) betrieben werden. Innerhalb der Ampel-Koalition herrschte Streit darüber – der in der zu später Stunde erzielten Einigung der europäischen Minister wohl seine Spuren hinterließ.
Ampel-Streit um Verbrenner-Aus ab 2035
Für Deutschland nahm die Grünen-Umweltministerin Steffi Lemke an dem Treffen in Luxemburg teil. Sie hatte im Vorfeld klar gemacht, dass sie für Ausnahmen für E-Fuels nicht zu haben ist. Schon bei der Abstimmung im EU-Parlament Anfang Juni fand eine solche Regelung auch sonst keine Mehrheit. Doch vor dem Minister-Rat in Luxemburg erklärte der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner, die Zustimmung seiner Partei zu den europäischen Plänen sei daran gebunden, dass Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen auch nach 2035 zulassungsfähig seien.
In dem Minister-Streit im Vorfeld entschied laut Berichten Bundeskanzler Olaf Scholz, indem er auf den Koalitionsvertrag verwies, der neben Elektroauto-Zielen tatsächlich auch Ausnahmen für E-Fuels enthält. Umweltministerin Lemke musste in Luxemburg also offenbar von ihrer gewünschten Linie abweichen – kam damit allerdings nicht weit. Denn in ihrem Kompromiss-Text verlangen die Umweltminister von der EU-Kommission jetzt zwar, erstmals 2025 Zwischenbilanz zu ziehen und dabei auch potenzielle Beiträge von „nachhaltigen alternativen Treibstoffen“ zu berücksichtigen. E-Fuels haben es also in den Text geschafft, aber nur als mögliche Zukunftsoption, nicht als schon beschlossene Ausnahme.
Der Verband der deutschen Auto-Industrie VDA zeigte sich denn auch unzufrieden mit dem Minister-Ergebnis. Der EU-Rat habe „für ein faktisches Verbrennerverbot ab 2035 und gegen eine technologieoffene Industriepolitik“ entschieden, kritisierte der Verband auf Twitter. Bei E-Fuels scheine es „nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben“, hielt er in einer Pressemitteilung fest. Auf der anderen Seite würden Rahmen-Bedingungen und klare Ziel-Vorgaben für mehr Elektromobilität fehlen, vor allem bei Ladeinfrastruktur. Die Umweltminister würden „keine ausreichende Verantwortung für einen flächendeckenden Aufbau“ übernehmen. Außer für Batterie-Elektroautos fordert der Verband den weiter auch für Wasserstoff-Fahrzeuge.
Aktualisierung: FDP-Chef Christian Lindner interpretierte das Ergebnis des Umweltminister-Treffens in Bezug auf E-Fuels allerdings anders. Auf Twitter schrieb er von einem „Nein der EU zum #VerbrennerAus“ und dass das richtig sei. CO2-freie Kraftstoffe in Pkw würden möglich bleiben, über den Rest würden Markt und Ingenieurskunst entscheiden.
Industrie setzt auf Elektroautos
Der Streit um das Thema erscheint insofern überholt, als große Teile der Auto-Branche schon entschieden haben, spätestens 2035 in Europa nur noch Elektroautos verkaufen zu wollen. Über Wasserstoff-Pkw redet selbst BMW immer weniger (das Foto oben zeigt den rein elektrischen i7), und auch bei Lastwagen werden trotz der mehrfachen Verschiebung des Tesla Semi zunehmend Lösungen mit dicken Batterien auf den Markt gebracht. Der VDA lässt im Konzert mit der FDP trotzdem noch nicht locker, scheint mit dem Pochen auf Technologie-Offenheit (in Verbindung mit staatlich geförderter Infrastruktur) aber auf europäischer Ebene zunehmend isoliert dazustehen. Immerhin bleibt ihm weiter Gelegenheit, es zu versuchen: Nach der Einigung der Umweltminister muss jetzt noch eine abschließende mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament gefunden werden.