Die Tesla-Aktie ist in letzter Zeit auffällig wenig gefragt: Seit Anfang des Jahres hat sie rund ein Drittel ihres Werts verloren. Dazu trug allgemeine Technologie-Schwäche bei, aber auch das Übernahme-Angebot von CEO Elon Musk für Twitter, für das er bereits Tesla-Aktien für gut 8 Milliarden Dollar verkaufte. Am Mittwoch wurde zudem bekannt, dass sie nicht mehr in der wichtigen ESG-Version des Index S&P 500 enthalten sind, und es ging um weitere knapp 7 Prozent abwärts auf 709,81 Dollar – was den schon vorher kritischen CEO dazu brachte, das gesamte System solcher Nachhaltigkeitsbewertungen als „Betrug“ zu bezeichnen.
Tesla in ESG-Rangliste abgerutscht
Ende 2020 wurde die Aktie von Tesla in den S&P 500 als den wohl wichtigsten Börsen-Index der Welt aufgenommen. Das verschaffte ihr reichlich Auftrieb, denn Billionen an Anleger-Vermögen werden heute rein passiv investiert, also über Fonds oder ETFs, die nur große Indizes nachbilden. Knapp ein halbes Jahr später kam Tesla außerdem in den Ableger S&P 500 ESG Leaders – ebenfalls hilfreich für den Kurs, denn zunehmend wollen Anleger nicht nur große und erfolgreiche, sondern auch nachhaltige Unternehmen.
Das ESG-System soll ihnen bei der Auswahl helfen. Die Abkürzung steht für Environment, Social, Governance. Wie früher nur die Finanzstärke soll also das Abschneiden von Unternehmen bei Faktoren gemessen werden, die weiter in die Zukunft reichen. Dass die Bewertungen hier nicht einfach sind, zeigte schon der Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine: Plötzlich wurde diskutiert, ob Waffen-Hersteller wirklich uninvestierbar sind, wie es die meisten ESG-Kriterien bestimmen.
Schon in diese Debatte, die Tesla nicht direkt berührte, schaltete sich Musk mit der Äußerung ein, die ESG-Regeln seien bis zum Wahnsinn verdreht worden. In der zweiten Mai-Woche dann forderte Tesla in seinem Impact Report eine grundlegende ESG-Reform. Tatsächlich war die Aktie des Unternehmen zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr im S&P 500 ESG. Wie die Leiterin dieses Bereichs bei S&P Dow Jones Indices am Mittwoch in einem Blog-Beitrag erklärte, kam Tesla bei der regelmäßigen Anpassung Anfang des Monats wegen einer zu niedrigen ESG-Bewertung nicht mehr für den Index in Frage.
Musk erwartet persönliche Angriffe
Zwar habe sich die Tesla-Bewertung gegenüber dem Vorjahr nicht wesentlich verschlechtert, aber andere in der Branche Auto und Komponenten seien besser geworden, erklärte die ESG-Chefin bei S&P DJI. Zu einer Abwertung führten außerdem das Fehlen einer veröffentlichten Strategie zur CO2-Reduktion und eines Verhaltenskodex. Und die Analyse habe gezeigt, dass bei Tesla Risiken in Zusammenhang mit Rassismus und problematischen Arbeitsbedingungen in der Fabrik in Fremont sowie mit Blick auf die Reaktion auf behördliche Untersuchungen von Autopilot-Unfällen bestehen.
Tesla trage seinen Teil dazu bei, Verbrenner-Autos von der Straße zu bekommen. Durch eine breitere ESG-Brille betrachtet aber falle das Unternehmen zurück, fasste die S&P-Autorin zusammen – neben dem E für Umwelt gibt es eben noch die Faktoren Gesellschaft und Governance. Zumindest der zweite Aspekt sei noch nie eine „Superkraft“ von Tesla gewesen, verteidigte der langjährige Investor Gene Munster die Entscheidung. Zu erwartende Verkäufe durch Anleger, die an ESG-Indizes orientiert sind, würden aber wahrscheinlich durch Käufe von Leuten ausgeglichen, die Teslas „Umwelt-Superkraft“ wollen.
Political attacks on me will escalate dramatically in coming months
— Elon Musk (@elonmusk) May 18, 2022
CEO Musk allerdings reagierte weit weniger gelassen auf die Nachricht vom Tesla-Ausschluss aus der ESG-Auswahl im S&P 500 (der ihm schon vorher bekannt gewesen sein dürfte). Nachdem er das System dieser Bewertungen zuvor nur als verdreht kritisiert hatte, bezeichnete er es am Mittwoch auf Twitter als „empörenden Betrug“. Es sei von falschen Kämpfern für soziale Gerechtigkeit zu einer Waffe gemacht worden, schrieb der Tesla-Chef weiter, und die Rating-Agentur S&P habe ihre Integrität verloren. Wohl eher im Twitter-Zusammenhang erklärte er außerdem, er rechne damit in, dass die politischen Attacken auf seine Person in den kommenden Monaten dramatisch zunehmen würden.