Bild: Lucid Motors
Volle acht Jahre nach dessen Vorstellung hat es gedauert, bis ein anderes Elektroauto als von Tesla eine höhere Reichweite mit einer Ladung schafft als das Model S von 2012. Streng genommen ist es immer noch nicht so weit, aber mit Lucid Motors hat ein jetzt vom früheren Tesla-Chefingenieur Peter Rawlinson geleitetes Unternehmen das zumindest für Anfang 2021 fest angekündigt. Vor der Präsentation des Lucid Air in dieser Woche sprach Rawlinson ausführlich über seine Arbeit daran und früher bei Tesla, und CEO Elon Musk kommentierte, er habe seinen Beitrag am Model S übertrieben. Rawlinson aber zeigte sich ganz als britischer Gentleman und erklärte, Tesla sei bei Elektroauto-Technologie weltweit führend und baue seinen Vorsprung weiter aus.
Lucid sieht sich nicht als Tesla-Konkurrenten
Mit dem Air übertrifft der heutige Lucid-Chef Rawlinson Tesla erstmals in den wichtigen Kategorien Reichweite, Lade-Leistung und Effizienz sowie zusätzlich auf der Viertelmeile. Am Mittwoch wurde zudem klar, dass das Basis-Modell der luxuriösen Elektroauto-Limousine in der gleichen Preis-Region liegt wie ein Tesla Model S Performance.
Andere hätten das vielleicht zum Anlass genommen, einen Sieg über Tesla herauszuposaunen, aber Rawlinson blieb schon im Vorfeld höflich und zurückhaltend. Ohnehin sehe er den Lucid Air nicht als Konkurrenten für das Model S, sondern für die S-Klasse von Mercedes oder deren kommenden elektrischen Verwandten EQS, sagte er. Und einen Tag vor der Präsentation erklärte er in einem langen Interview mit Bloomberg, bevor der Air nicht auch wirklich produziert werde, sei Lucid „nichts“.
Rawlinson didn’t design Model S. Prototype was done before he joined & he left us in the lurch just as things got tough, which was not cool. He did make some contributions to body/chassis engineering, but not to powertrain, battery, electronics or software.
— Elon Musk (@elonmusk) September 9, 2020
Außerdem plauderte Rawlinson auch über seine Zeit bei Tesla, wohin er im Jahr 2009 von Lotus in Großbritannien gelockt wurde, um die Entwicklung des Model S zu verantworten, die zu diesem Zeitpunkt nach seinen Worten „tief in der Sch… steckte“. Am Ende seiner ersten Woche dort habe er Tesla-CEO Musk eröffnet, dass er das Model S aufgeben müsse. Ob es wirklich so schlimm sei, habe Musk gefragt. „Ja wirklich“, habe seine Antwort gelautet. Rawlinson habe das Tesla Model S dann komplett umkonstruiert, berichtet Bloomberg aus dem Gespräch mit ihm, und 2012 kam es bekanntlich doch heraus.
Tesla-Chef kritisiert auf Twitter
Doch diese Darstellung wollte Musk so nicht stehen lassen. Rawlinson habe das Model S nicht designt, schrieb er zu einem Artikel über das Interview auf Twitter. Sein früherer Chef-Ingenieur habe Beiträge zu Karosserie und Fahrgestell geleistet, nicht aber zu Antrieb, Akkus, Elektronik oder Software. Der Prototyp für das Model S sei bei seiner Ankunft schon fertig gewesen, und außerdem habe Rawlinson Tesla im Stich gelassen, als es richtig schwierig wurde; das sei „nicht cool“.
Musks unfreundliche Reaktion spricht dafür, dass Rawlinson bei seinem früheren Arbeitgeber in Ungnade gefallen ist. Er selbst wollte sich gegenüber Bloomberg zu seinem aktuellen Verhältnis zum Tesla-Chef nicht äußern, sondern werde erst „in seinem Buch“ darüber schreiben, wie er sagte. Einstweilen wolle er nur verraten, dass Musk sehr genau darauf achte, was Lucid mache.
100% class @LucidMotors. CEO gives shout out to Tesla and their tech lead. @WholeMarsBlog @jpr007 @Kristennetten @stevenmarkryan @TeslaPodcast @vm_one1 @BarkMSmeagol @marc_benton pic.twitter.com/XozrxzeJeb
— Optimus Subprime (@Huddster2) September 9, 2020
Voller Respekt zumindest für Musks Unternehmen zeigt sich Rawlinson aber weiterhin: Einige Stunden nach Musks Twitter-Kritik wurde er von dem TV-Sender Fox Business über den Anstieg der Tesla-Aktie befragt. Der mache ihm keinerlei Sorgen, sagte der Lucid-Chef dazu, denn der hohe Kurs zeige schlicht die „herausragende Position des Unternehmens“. Tesla habe immer noch die weltweit führende Elektroauto-Technologie, erklärte Rawlinson bescheiden, obwohl Lucid erst einen Tag zuvor mit dem Air gezeigt hatte, dass es noch besser geht. Aber der frühere Chef-Ingenieur aus Großbritannien blieb dabei: Der Markt erkenne langsam, dass Tesla „traditionellen Auto-Hersteller und vor allem den deutschen“ nicht nur voraus sei, sondern den Abstand auch noch weiter ausbaue, sagte er.