Der Volkswagen-Vorstandschef Herbert Diess hat einen weiteren – offenbar von ihm selbst angezettelten – Machtkampf überstanden: Mit seiner Forderung nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung kam er am Montag im Aufsichtsrat zwar nicht durch, darf aber den Konzernvorstand nach seinen Vorstellungen besetzen. Das kann zumindest als halbe Rückendeckung für den Tesla-Kurs verstanden werden, den der VW-Chef immer deutlicher verfolgt. Einen Tag später kündigte Diess zudem in einer internen Rede an, Tesla bei der Produktion im Werk Wolfsburg künftig übertreffen zu wollen.
Schneller produzieren als Tesla
Davon berichtete am Mittwoch unter anderem das Handelsblatt. In dem Stammwerk werde in den nächsten Jahren eine hochautomatisierte Elektroauto-Produktion für ein neues Topmodell der Marke VW eingerichtet, soll Diess vor 15.000 Managern gesagt haben. Das noch namenlose Fahrzeug orientiere sich an dem Artemis-Projekt, in dem ein kleines unabhängiges Team den Auftrag hat, ein Elektroauto zu entwickeln, das es in jeder Hinsicht mit Tesla aufnehmen kann. Bei den Produktionskosten seiner Variante will VW damit sogar unter Tesla liegen, wie Diess laut Handelsblatt jetzt sagte.
Innerhalb von zehn Stunden solle das kommende Top-Elektroauto im dafür modernisierten Werk Wolfsburg gebaut werden, zitiert die Zeitung weiter aus der Diess-Rede. Das sei „wahrscheinlich“ auch kürzer als in der entstehenden Gigafactory in Grünheide bei Berlin, in der Tesla ab Mitte 2021 zunächst das Model Y produzieren will; üblich in der Branche seien 15 bis 20 Stunden pro Auto.
Tatsächlich sind die Produktionszeiten in den aktuellen und kommenden Werken von Tesla nicht bekannt. Aber CEO Elon Musk hat mehrfach deutlich gemacht, dass er den eigentlichen Vorteil seines Unternehmens langfristig in der Produktion sieht. „The machine that builds the machine“ ist ein Ausdruck, den er häufig dafür verwendet. Tesla entwickle auch die Technik für die Produktion seiner Elektroautos (und bald der eigenen Batterie-Zellen) in Zusammenarbeit mit Partnern selbst, während andere Unternehmen nur „Katalog-Engineering“ betreiben, also ihre Fabriken aus Standard-Anlagen zusammenkaufen würden, sagte Musk vor kurzem.
Top-Elektroauto für mehrere VW-Marken
Laut einem Bericht des Spiegel dauert die Produktion des VW-Elektroautos ID.3 im Werk Zwickau derzeit noch 20 Stunden, während Tesla schon mit 10 Stunden in Grünheide plane. Für das schnell zu produzierende Volkswagen-Topmodell aus Wolfsburg soll eine niedrige bis mittlere sechsstellige Stückzahl pro Jahr vorgesehen sein, möglicherweise für mehrere der Konzernmarken.
Der Produktionsstart des neuen VW-Elektroautos sei für 2025 oder 2026 vorgesehen, berichtet der Spiegel weiter. Das allerdings hört sich vor dem Beginn einer Produktion im Tesla-Tempo erst einmal nach einer Verschiebung an: In bisherigen Berichten zum Artemis-Projekt war stets von 2025 oder schon 2024 die Rede gewesen.