Bild: Volkswagen (Grundstein-Legung für Batterie-Fabrik Salzgitter im Juli)
Weltweit haben Unternehmen begonnen, sich auf eine von der Politik ausgelöste Markt-Disruption einzustellen: In den USA gilt ab Anfang 2023 der Inflation Reduction Act (IRA), der hohe Steuer-Gutschriften nicht nur für Elektroauto-Käufe vorsieht, sondern auch für die Produktion der Batterien dafür – soweit sie zu bestimmten Anteilen in den USA oder verbundenen Ländern erfolgt und auch die Materialien von dort stammen. Mit diesen Subventionen in vielstelliger Milliarden-Höhe könnte das Land zu einer neuen Batterie-Weltmacht werden – was aber auf Kosten von Europa zu gehen droht.
Northvolt bewertet deutsche Fabrik neu
So stellte in dieser Woche das von früheren Tesla-Managern gegründete Startup Northvolt aus Schweden den Plan in Frage, bis 2025 eine neue Batterie-Fabrik im norddeutschen Heide zu bauen. Mit einer Kapazität von 60 Gigawattstunden sollte sie eine der größten Europas werden, was in der Politik erfreut aufgenommen wurde. Jetzt aber werde man erst 2023 entscheiden, ob nicht möglicherweise zuerst eine Fabrik in den USA gebaut werde, sagte ein Northvolt-Sprecher der Nachrichten-Agentur Bloomberg.
Als Begründung führte der Sprecher die Entwicklung in den USA im Vergleich zu Europa an: hohe neue Subventionen gegenüber stark gestiegenen Energie-Preisen. Der IRA habe die Dynamik für Batterie-Hersteller verändert. Die gesamte Wertschöpfungskette denke jetzt über Nordamerika statt Europa nach. Damit der Standort attraktiv bleibe, müsse die Politik schnell reagieren, sagte er. Durch die anstehende Neubewertung könne sich der nächste Start in Europa etwas verzögern, falls die Entscheidung darauf falle, sagte der Sprecher.
VW-Vorstand will Förderung wie in USA
Ähnlich hatte sich am selben Tag auf LinkedIn Thomas Schäfer geäußert, seit diesem Juli CEO der Marke Volkswagen und Volumen-Vorstand im VW-Konzern. Deutschland und die EU würden im internationalen Vergleich rasant an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit verlieren, schrieb er nach einem Treffen, bei dem die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs mehr industriepolitische Zusammenarbeit vereinbart hatte. Das dort erarbeitete Papier greife an entscheidenden Stellen zu kurz und setze nicht die erhofften Schwerpunkte.
Dabei hatte Schäfer offenbar eine Batterie-Förderung wie in den USA im Sinn. Denn der VW-Vorstand schrieb von hochattraktiven Anreizen durch den IRA, während die EU an veralteten Beihilfe-Regeln festhalte. Auch neuere Instrumente würden eher auf langfristige Entwicklung neuer Technologien setzen als auf schnelle Industrialisierung. Tatsächlich hatte zuvor Tesla auf eine praktisch zugesagte Milliarden-Förderung für Batterie-Produktion in Grünheide verzichtet, wohl weil die Regeln zu restriktiv waren. Nach Verabschiedung des IRA verschob das Unternehmen zudem den Start der deutschen Produktion ganzer Batterien, um Ressourcen dafür in die USA zu verlagern.
Porsche-Partner mit Expansionsplänen
Volkswagen will nach früheren Angaben bis 2030 sechs Batterie-Fabriken in Europa mit je 40 Gigawattstunden Kapazität bauen. Davon rückte Schäfer jetzt nicht konkret ab, erklärte aber, wenn es nicht gelinge, die Energie-Preise zu senken, seien Investitionen in neue Batterie-Produktion in Deutschland und Europa „praktisch nicht mehr vorstellbar“. Die Wertschöpfung werde dann anderswo stattfinden. Die EU brauche deshalb dringend neue Instrumente, um „die schleichende De-Industrialisierung noch abzuwenden“, erklärte er ähnlich wie der Northvolt-Sprecher.
Zumindest im Highend-Bereich und zumindest in Deutschland gibt es aber weiterhin auch ehrgeizige Batterie-Pläne. So wird der frühere Entwicklungsdienstleister Customcells, eine Ausgründung aus einem Fraunhofer-Institut, zunehmend zu einem Produzenten. Er betreibt bereits zwei kleinere Fabriken in Deutschland, der Bau einer dritten in dem Joint-Venture Cellforce mit Porsche hat im Oktober begonnen, berichtete am Dienstag electrive.net. Zudem kündigte der CEO an, zwei weitere deutsche Fabriken zu bauen, eine für Flugmaschinen-Batterien und eine für mindestens zehn Gigawattstunden an Elektroauto-Batterien pro Jahr. Einen Standort in den USA sucht Customcells derzeit allerdings ebenfalls schon.