Bei Tesla war von Anfang an klar, dass Elektroautos nicht nur überzeugend fahren müssen, sondern vor allem für Langstrecken ein schnelles und zuverlässiges Lade-Netzwerk benötigen. Dafür gibt es das stetig wachsende eigene Supercharger-Netz, während sich die meisten anderen Hersteller auf Angebote von Dritten verlassen. Und das hat seine Tücken. Schon kurz nach dem Start des grundlegend neuen Elektroautos ID.3 von Volkswagen berichtete ein teslamag.de-Leser von einer „Horrorfahrt“ über sieben Stunden nach dessen Abholung in Wolfsburg. Den gleichen Begriff verwendete jetzt ein Ehepaar nach seiner ersten größeren Reise mit dem gleichen Fahrzeug – und stieß damit auf wenig Verständnis bei einem IT-Manager von VW.
26 Stunden unterwegs im ID.3
Über die zweite „Horrorfahrt“ in einem VW ID.3 berichtete am Sonntag das Magazin Focus. Demnach wollte ein Rentner-Ehepaar mit dem im Februar gekauften Elektroauto in sein Ferienhaus in Frankreich fahren. Für die 790 Kilometer benötigten die beiden letztlich 26 Stunden, denn mehrere in ihrer App angezeigte Ladestationen funktionierten nicht.
Gleich die erste angesteuerte Schnell-Ladestation war entgegen der Anzeige in der App ChargeMap kaputt, berichtete der männliche Teil des Rentner-Paares im Focus. Also mussten die beiden ein Stück zurück zu einem VW-Händler fahren. Das Personal war zwar freundlich und hilfsbereit, hatte aber trotzdem nur eine Ladestation mit laut dem Bericht 22 Kilowatt zu bieten. Der ID.3 lädt an solchen Wechselstrom-Säulen mit bis zu 11 Kilowatt – zwei Stunden dauerte es, um auf 40 Prozent Akku-Stand.
So ähnlich ging es weiter. Auch der nächste schnelle Lader aus der App funktionierte nicht, was eine weitere 22-kW-Ladung über Stunden erforderte. Immerhin einmal stießen die Rentner auf eine Station, die tatsächlich vorhanden war, ihre VW-Ladekarte akzeptierte und wie versprochen 50 Kilowatt Leistung lieferte. Danach wäre eine Station von Ionity an der Reihe gewesen. An diesem Lade-Joint-Venture ist Volkswagen beteiligt, sodass die Elektroauto-Fernreisenden bei dem Anblick jubelten, wie Focus berichtet. Doch die Ladekarte wurde dort nicht akzeptiert – und das Paar musste erneut an einen Langsam-Lader.
26 Stunden dauerte letztlich die kleine Odyssee von Freiburg nach Frankreich, was die Neu-Besitzer des ID.3 aber nicht von Elektromobilität abgebracht hat. Grundsätzlich lobten sie das Auto und hielten nur fest, dass sich bei Ladestationen vor allem im Ausland noch sehr viel ändern müsse.
VW-Manager zweifelt an Vorbereitung
Eine erstaunliche Reaktion auf den Bericht des Paares zeigte dann auf LinkedIn ein VW-Manager, der laut Profil bis Juni 2020 eine verantwortliche IT-Position bei dem hauseigenen Lade-Service WeCharge hatte und jetzt „Demand Manager After Sales Systems“ ist. Er bezweifle, „ob die Vorbereitung wirklich so gut war, wie das Paar behauptet“, schrieb er. Ohne auf die konkreten Problem-Schilderungen einzugehen, hielt er fest, dass man mit dreimal Laden bei Ionity in 8 Stunden und 16 Minuten an das Ziel kommen könne. Nach seinen Angaben würde die WeCharge-Karte des Paars dort auch akzeptiert.
Damit gab der Manager im Prinzip Kunden die Schuld, die sich möglicherweise noch nicht perfekt mit allen Hilfsmitteln für reibungsloses Elektroauto-Laden auskennen – eine zweifelhafte Haltung bei einer neuen Technologie, wie auf LinkedIn mehrfach angemerkt wurde. Ohne selbst kontrolliertes Lade-Netz wie bei Tesla könnte es also noch mehr „Horrorfahrt“-Erfahrungen geben, bis entweder die Kunden perfekt sind oder VW die Integration fremder Stationen in sein Lade-Angebot besser gelöst hat.