Wie von Tesla-CEO Elon Musk erhofft und geplant, beginnen zunehmend auch andere Hersteller mit der Produktion von reinen Elektroautos – auch wenn manche dabei überzeugter und entschlossener erscheinen als andere. In Deutschland sticht der Volkswagen-Konzern heraus, der Tesla offen zum Vorbild erklärt hat und mit dem VW ID.3 seit September ein Elektroauto in der bezahlbaren Golf-Klasse anbietet. Viele Leser von teslamag.de zeigen mit Kommentaren im Forum, dass sie den Kurs von VW-Vorstandschef Herbert Diess schätzen und den ID.3 interessant finden. Einer von ihnen hat den Elektro-Volkswagen zusammen mit seinem Partner und zusätzlich zu seinem Model 3 jetzt sogar gekauft. Doch nach der Abholung in Wolfsburg erlebte er eine „400-km-Horrorfahrt bis nach Hause“, wie sie mit einem Tesla wohl nicht passiert wäre, berichtete er anschließend im Forum. Mit Erlaubnis des Verfassers veröffentlichen wir hier seinen Beitrag in leicht überarbeiteter Form.
400-km-Horrorfahrt bis nach Hause
Es war 16:15 Uhr, als wir uns auf den Rückweg machten, der Akku war auf 80 Prozent geladen. Da wir im Vorfeld durch diverse YouTube-Videos wussten, dass man sich im Navi des ID.3 wohl beim derzeitigen Softwarestand noch keine Ladesäulen auf der Strecke anzeigen kann, nutzen wir übrigens A Better Routeplanner. ABRP kann ich nur jedem ans Herz legen und hat uns an dem Tag überhaupt eine stressfreie Fahrt ermöglicht.
Denn das Navigationsgerät im ID.3 kann man im derzeitigen Zustand komplett in die Tonne hauen. Es gibt zwar einen Punkt namens „Ladesäulen auf der Strecke anzeigen“, der zeigt aber auch Säulen an, an denen man vor etlichen Kilometern schon vorbeigefahren ist, oder eben Säulen an der gegenüberliegenden und somit nicht erreichbaren Raststätte. Es macht also absolut keinen Sinn, das Navi im ID.3 für Langstrecken zu nutzen, wenn man unterwegs einen Ladestopp benötigt.
Im Auto war alles eingestellt, ich hatte im Vorfeld mir die Route angesehen, und so fuhren wir um 16:15 Uhr in Wolfsburg ab. Die Strecke ist laut Google Maps ziemlich genau 400 km und hätte eine Fahrtzeit von 4 Stunden und 15 Minuten (ohne Ladezeit) bedeutet.
Alles bereit und guter Start im VW ID.3
16:15 Uhr Abfahrt in Wolfsburg! Wir waren zwar tierisch genervt von den Erlebnissen in der Autostadt und ja schon seit morgens um 7 Uhr unterwegs, aber die Freude mit dem neuen ID.3 ließ uns alles vergessen. Das Auto ist wirklich eine Wucht! Ich habe es mir auf den elektrischen Beifahrersitz richtig bequem gemacht, Sitzheizung und Massage an und auch die Sitzauflagen-Verlängerung ausgezogen und habe direkt perfekt gesessen. Als kleines Spielkind habe ich dann mal angefangen, mir die Software des Autos anzuschauen und alle Funktionen auszuprobieren.
Dann auf einmal auf der A2 nach 30 Minuten Fahrt ein Stau! Das Navi vom ID.3 hatte keinen Mucks von sich gegeben! Es war dann eine Vollsperrung der A2, aber immerhin hat das Navi des ID.3 uns nach 10-12 Minuten, die wir schon in dem Stau standen, doch mal eine nette Warnung abgegeben. „Stau auf der A2 voraus“. JA SUPER, vielen Dank auch! Die Vollsperrung an der A2 in der Nähe der A7 hat uns gut und gerne mal 75 Minuten gekostet.
Nebenbei erwähnt, wir hatten uns in Wolfsburg mit einer Freundin aus Berlin getroffen, die mit ihrem Opel Corsa (Baujahr 2012) dann mit uns in Kolone nach Bonn fahren sollte. Die hat uns aber in der halben Stunde auf der A2 aus den Augen verloren, und ihr Opel Navi von 2012 (welches nie geupdatet wurde) hat sie rechtzeitig vor der Vollsperrung von der A2 heruntergeleitet.
Erstes Laden problemlos, zweites scheitert
Jetzt mussten wir durch die 75 Minuten im Stau einen zweiten Ladestopp einplanen. Wir wurden also von ABRP zur Raststätte Auetal-Nord gelotst. Wir waren gerade mal 130 km gefahren, kamen aber erst um 18:40 Uhr dort an. Wir sollten genau 11 Minuten laden, aber wir entschieden uns, dass wir dem Auto doch mal eher 20 Minuten Ladezeit gönnen, weil wir uns schlichtweg die Erfahrungen zu Reichweite und Verbrauch damit fehlen. Wie sich zeigen wird, war dies eine goldrichtige Entscheidung.
Geladen wurde an einer Ionity-Ladesäule mit der „We Charge“-Ladekarte von VW. Somit kostet eine Kilowattstunde 53 Cent, was noch gerade so akzeptabel ist. Der Vielfahrertarif mit Grundgebühr macht für uns keinen Sinn. Die Ladeleistung und Ladekurve hat uns nicht wirklich vom Hocker gerissen. Leider zeigt der ID.3 seinen Akkustand nicht in Prozent an, man kann also nur immer schätzen, wie viel Strom man noch hat. Außer beim Ladevorgang, dabei wird der Akkustand angezeigt. Wir sind also wieder auf die A2, und ABRP hat den ursprünglichen und zuvor einzigen Ladestopp, also den Autohof Lippetal, ersetzt durch eine Raststätte, die 16 km hinter Lippetal lag. Also sind wir blinden Vertrauens losgefahren.
Als wir dann an der Raststätte Rhymern Nord ankamen, stand dort eine einzige Säule, und die war von E.on. Irgendwie hatte ich schon ein dummes Gefühl bei der Sache. Doch der ID.3 zeigte noch 20 km Restreichweite an, und wir hatten keine große andere Wahl mehr als die Säule auszuprobieren. Auto angeschlossen, und nach kurzer Zeit leuchtete die Ladeanzeige am Fahrzeug rot auf. Wir konnten das Ladekabel nicht entriegeln, weder am Auto noch an der Ladesäule. Wir steckten also im Stockdüsteren an einer Ladesäule mit nur noch 20 km Restreichweite fest. Die Raststätte selbst war geschlossen.
Dank eines nextmove-Videos hatten wir noch in Erinnerung, wo sich die Not-Entriegelung befindet. Kleines Problem an der Sache: Dort befinden sich aber ZWEI „Schnürchen mit einer Schlaufe dran“. Mit der einen entriegelt man das Kabel, mit der anderen trennt man dauerhaft die Stromverbindung des Fahrzeugs, was z.B. die Feuerwehr nach einem Unfall tun würde. Der Ingenieur, der die brillante Idee mit den zwei nebeneinander liegenden Schlaufen hatte, gehört auf den Mond geschossen.
Reichweiten-Angst im VW-Elektroauto
Mein Freund hat also mein Handy und versucht, jemanden bei E.on ans Telefon zu bekommen, damit vielleicht per Fernschaltung das Kabel gelöst werden kann. Ich habe also eine 50/50 Chance, jetzt das Auto entweder von der Säule zu befreien oder eben zu schrotten. Mein Freund hat dann zwischenzeitlich mal jemanden von E.on am Telefon. Dieser berichtet, dass die Säule schon seit dem 05.11. nicht mehr funktioniere, also seit 10 Tagen! Tolle Glanzleistung von E.on! Genauso muss Elektromobilität funktionieren… NICHT.
Der Herr von E.on hat die Säule neu gestartet, aber wir konnten weder laden noch das Kabel lösen. Also mit der Taschenlampe des Handys in den Kofferraum geleuchtet, Gott sei Dank die richtige Schlaufe gezogen und wir waren endlich wieder frei! Doch halt, wir brauchten Strom und hatten mittlerweile nur noch 19 km Reichweite. Also ab ins Auto und auf dem Handy geschaut, wo die nächste Ladesäule ist. Es war der Autohof Lippetal, an dem wir vor ca. 10 Minuten vorbeigekommen waren und an dem wir ursprünglich hätten laden sollen. Laut Navi waren es 16 km bis zum Autohof.
Wir haben uns also auf den Weg gemacht, Heizung/Klima aus und gehofft, dass wir dort ankommen. Und wir haben es geschafft. Mit nur 5 Kilometern Restreichweite sind wir dann an eine Ionity-Ladesäule herangefahren und haben das Auto angesteckt. Es war mittlerweile 20:40 Uhr. Laden mussten wir dann bis 21:25 Uhr, um auf 72 Prozent zu kommen.
Highlight: Neuer Tesla-Supercharger
Jetzt muss ich allerdings mal das HIGHLIGHT des Tages erzählen: Könnt ihr euch vorstellen, dass ihr euch mal über Betonfundamente freut? Süße kleine ovale Betonfundamente? Wir fuhren an dem Autohof vorbei, und es war stockdüster, doch ich erkannte trotz Frust, Hunger und Dunkelheit sofort diese wunderschönen Betonfundamente. Denn dort entsteht ein neuer Supercharger-Standort. Aber es sollte noch besser kommen. Dieser Standort war anscheinend noch niemanden bekannt! Und ich durfte diesen neuen Standort melden.
Traurig, aber wahr: Nach der misslungenen Abholung in der Autostadt Wolfsburg, der Vollsperrung und dem Ladechaos an der E.off-Ladesäule, war mein Highlight des Tages, dass ich einen neuen Tesla-Standort gefunden habe.
Gegen 21:25 Uhr war unser Auto laut ABPR bereit zum Weiterfahren. Und uns war es mittlerweile egal, ob wir in Köln/Bonn noch einmal kurz zwischenladen müssten oder nicht. Um 23:15 Uhr, also nach genau 7 Stunden nach Abfahrt in Wolfsburg, sind wir dann endlich zuhause angekommen. Die Freude am neuen Auto hatte sich eher in Frust und Wut gewandelt. Das Auto ist nach wie vor MEGA! Aber das Laden unterwegs fern von Superchargern empfinde ich nach fast einem Jahr als Tesla-Fahrer als eine Zumutung. Am Autohof Lippetal befinden sich 5 Ionity-Säulen und 2-3 Allego-Ladesäulen für alle Elektroauto-Fahrer, aber demnächst stehen dort allein für Tesla 8 Supercharger-Stalls, sehr wahrscheinlich V3.
Eigentlich wollten wir an Weihnachten mit dem ID.3 nach Salzburg/Österreich (sofern überhaupt möglich durch Corona) fahren. Aber von diesem Plan haben sich mein Freund und ich erst einmal verabschiedet.
Autor: Marcel Szary (Silondo)