In diesem Jahr müssen Auto-Hersteller in der Europäischen Union erstmals strengere Grenzwerte für die durchschnittlichen CO2-Emissionen ihrer Neuwagen-Flotten einhalten – noch gibt es einige Sonder-Regeln, aber wenn der Grundwert von maximal 95 Gramm pro Kilometer auch damit überschritten wird, werden Strafen fällig. Unter anderem mit Elektroautos lässt sich der Durchschnitt stark drücken, denn sie werden doppelt gezählt. Viele traditionelle Hersteller bringen deshalb solche Modelle auf den Markt, allen voran der Volkswagen-Konzern. Doch ausgerechnet bei dem dürfte das Elektro-Gegengewicht in 2020 nicht ausreichen, wie jetzt berichtet wird.
„Nicht toll, nicht Ende der Welt“
„Wir haben einige hundert Millionen Rückstellungen gebucht, um auf der sicheren Seite zu sein“, sagte laut einem Bericht von Automotive News Europe Ende Oktober Frank Witter, Finanzvorstand des Konzerns mit Marken wie VW, Audi, Skoda, Seat und Porsche. Mit Blick auf das kommende Jahr sei man aber „ziemlich zuversichtlich“, die EU-Vorgaben erfüllen zu können. 2020 sei nur „eine Momentaufnahme“ und eine kleine Überschreitung in diesem Jahr „nicht toll, aber auch nicht das Ende der Welt“.
Dennoch dürfte es keinen guten Eindruck machen, wenn Volkswagen anders als andere Hersteller nicht rechtzeitig mit insgesamt emissionsärmeren Fahrzeugen auf die EU-Vorgaben kommt. Und es wäre erstaunlich, denn von allen traditionellen Autobauern zeigt sich VW am stärksten auf Elektroauto- und Tesla-Kurs. Der im September gestartete Kompaktwagen ID.3 sollte den modernen Auftakt dazu bilden und bekommt 2021 Ableger auf derselben MEB-Basis im gesamten Konzern; von Porsche gibt es mit dem Taycan zudem schon seit 2019 ein neu entwickeltes Elektroauto und von Audi immerhin den Verbrenner-Umbau e-tron.
Im laufenden Jahr aber scheint all das zur CO2-Kompensation nicht auszureichen. Möglicherweise hatte VW mehr Hoffnung in den ID.3 gesetzt: Bis Juni galt das Ziel von 100.000 Verkäufen bis Ende 2020, zuletzt war von deutlich niedrigeren Zahlen die Rede. Der SUV-Ableger ID.4 könnte ebenfalls noch vor Jahresende starten, dürfte aber keine nennenswerten Stückzahlen zur rechnerischen Emissionsminderung mehr beitragen.
Hat Tesla noch Platz für Volkswagen?
Nach einer Studie der Organisation T&E lag Volkswagen Mitte 2020 noch etwa 5 Gramm über der CO2-Vorgabe. Später wurde bekannt, dass der Konzern von einer weiteren Möglichkeit Gebrauch macht, die Lücke zumindest zu verkleinern: Er schloss eine Pool-Vereinbarung mit der britischen Marke MG, die in chinesischer Hand neue Elektroautos anbietet. Das ist von der EU zugelassen, um Hersteller zu fördern, die schon besser sind als die Vorgaben: Sie können Geld für die Aufnahme in ihren CO2-Pool verlangen, was für die Partner darin wiederum billiger sein kann als direkte Strafen für eine Überschreitung.
Die bekannteste dieser Vereinbarungen ist die zwischen Fiat-Chrysler und Tesla, die dem Elektroauto-Pionier insgesamt 1,8 Milliarden Euro einbringen soll. Laut T&E hatte selbst dieser Pool Mitte des Jahres die EU-Vorgabe schon übererfüllt, sodass noch Potenzial für weitere Partner blieb. Wie in dieser Woche gemeldet wurde, ist jetzt auch Honda dem Tesla-Pool beigetreten. Aber wenn der Pionier seine Europa-Verkäufe weiter steigert, könnte vielleicht auch Volkswagen noch zum CO2-Partner werden – und die „paar hundert Millionen“ (vermutlich Euro) beziehungsweise etwas weniger an Tesla bezahlen statt an die EU.