Die mindestens vorübergehende Abkehr von Tesla zusammen mit seinem einflussreichen CEO Elon Musk von Bitcoin traf die Märkte unerwartet: Als Musk in dieser Woche via Twitter erklärte, Tesla werde die Kryptowährung erst einmal doch nicht mehr als Zahlungsmittel für Elektroautos akzeptieren, brach ihr Kurs schlagartig um mehr als 10 Prozent ein. Als Erklärung nannte Musk den rapide zunehmenden Bedarf an fossilen Brennstoffen für das Bitcoin-Netz. Dass die Kryptowährung ein schmutziger Stromfresser ist, war allerdings schon vorher bekannt – weshalb im Internet über mögliche weitere Gründe für die Krypto-Kehrtwende bei Tesla spekuliert wurde.
85 Megawatt für neue Bitcoin-Farm
Gut zu Musks eigener Erklärung würde eine Meldung passen, die vor wenigen Tagen von dem Blog ArsTechnica veröffentlicht wurde. Demnach gibt es im US-Bundesstaat New York ein altes Kohlekraftwerk, das eigentlich schon aufgegeben und dann von einer Private-Equity-Firma als Gaskraftwerk wiederbelebt wurde. Schon bislang soll es zu großen Teilen nicht mehr für die Stromversorgung umliegender Haushalte und Unternehmen genutzt werden, sondern für Bitcoin-Mining. Laut dem Bericht wurde jetzt zudem eine zweistufige Erweiterung der Krypto-Farm neben dem Kraftwerk um zusammen 28.500 Mining-Maschinen genehmigt. Alle zusammen sollen mit einer Leistung von 85 Megawatt 79 Prozent des vor Ort erzeugten Stroms verbrauchen.
Diese aktuelle Nachricht könnte bei Musk den Anstoß zum Umdenken gegeben haben, vermuteten Twitter-Nutzer – auch wenn nicht wahrscheinlich ist, dass er vorher gar nichts über den großen Bitcoin-Stromhunger verbunden mit fossilen Emissionen wusste.
Elon Musk just helped ease the semiconductor shortage by tanking the price of cryptocurrencies https://t.co/2jVSUkjgD4
— Bloomberg Markets (@markets) May 13, 2021
Einen weiteren interessanten Ansatz lieferte die Nachrichten-Agentur Bloomberg: „Elon Musk hat soeben geholfen, die Halbleiter-Knappheit abzumildern“, schrieb sie nach der Bitcoin-Abkündigung des Tesla-Chefs. Denn dass die Kryptowährung so viel Energie benötigt, liegt daran, dass beim Mining extrem komplizierte Rechenaufgaben gelöst werden müssen – den Strom verbrauchen die spezialisierten Prozessoren dafür. Und solche Halbleiter-Produkte sind allgemein seit Ende 2020 weltweit knapp, was die gesamte Auto-Industrie mit ihrem steigenden Elektronik-Bedarf einschließlich Tesla betrifft. Bitcoin- und Elektroauto-Prozessoren sind zwar nicht identisch. Aber weniger Krypto-Hype könnte den Halbleiter-Markt allgemein entlasten und Kapazitäten frei werden lassen.
Tesla-Reaktion auf Druck aus China?
Stärker in Richtung Verschwörungstheorie geht eine dritte Erklärung, die auf Twitter gehandelt wurde. Kurz nach der Bitcoin-Abkehr von Tesla erschien bei einer staatlichen chinesischen Publikation ein Beitrag, in dem es abweichend von westlichen Agentur-Meldungen von dieser Woche heißt, der Ausbau der lokalen Gigafactory gehe wie geplant und schnell voran. Nachdem Tesla zuvor in China unter starkem Medien-Druck war, vermuteten manche, dafür habe auch das Engagement in der schwer kontrollierbaren Kryptowährung eine Rolle gespielt. Mit dem freundlichen Bericht nach der Welle der Kritik habe die chinesische Regierung jetzt ihre Zufriedenheit mit der Entscheidung signalisieren lassen, hieß es.
Working with Doge devs to improve system transaction efficiency. Potentially promising.
— Elon Musk (@elonmusk) May 13, 2021
In diesem Fall allerdings wäre bald wieder mit medialem Ärger für Tesla in China zu rechnen. Denn am Tag nach seiner für Bitcoin-Anleger unschönen Überraschung, die auch andere virtuelle Währungen tief einbrechen ließ, wiederholte CEO Musk, dass sie nicht das Ende seiner Krypto-Ambitionen war. Tesla beschäftige sich mit Alternativen, deren Energiebedarf pro Transaktion 99 Prozent niedriger sei als bei Bitcoin, hatte er schon am Vortag geschrieben. Und am Freitag erklärte er, Tesla arbeite „mit Doge“ daran, die Effizienz des Systems zu erhöhen.
Damit meinte Musk natürlich die ehemalige Spaß-Währung Dogecoin, die er in der Vergangenheit mehrmals hervorgehoben und kurz vor dem Bitcoin-Moratorium bei Tesla als Bezahlung für einen Satelliten-Transport bei SpaceX akzeptiert hatte. Im Vorfeld seines Auftritts als Gast-Moderator der TV-Show Saturday Night Live war Dogecoin auf neue Rekordkurse gesprungen, um dann erst einmal einzubrechen, weil Musk sie in einer Rolle als Finanzexperte als „Schwindel“ bezeichnete. Die neueste Twitter-Erwähnung aber verhalf ihr wieder zu einem schnellen Anstieg um gut 30 Prozent.