Tesla hat sein Autopilot-System und für dessen Bezeichnung schon juristische Schwierigkeiten zum Beispiel in Deutschland bekommen, weil sie überhöhte Erwartungen an seine Fähigkeiten wecken soll. Mercedes wiederum arbeitet an einem ähnlichen Assistenten namens Drive Pilot – und zog 2016 eine Video-Anzeige zurück, in der in Zusammenhang damit von Autos die Rede war, die von selbst fahren. Seitdem haben beide Unternehmen (so wie viele andere) ihre Systeme weiterentwickelt – und Mercedes bekam jetzt die weltweit erste Zulassung für eine Funktion, die über die von Tesla offiziell erreichte Stufe 2 in der internationalen Klassifizierung dafür hinausgeht.
Mercedes eine Stufe über Tesla
Wie autonom ein Auto ist, lässt sich nach der Klassifizierung der Organisation SAE in sechs Stufen von 0 bis 5 ausdrücken. Level 0 bedeutet nur Warnungen und punktuelle Eingriffe, Level 5 selbstständiges Fahren in allen Situationen, in denen auch ein Mensch zurechtkäme. Elon Musk strebt die höchste Stufe an. Er sei extrem zuversichtlich, sie mit Tesla bis Ende 2021 erreicht zu haben, sagte er zum Beispiel vor einem Jahr. Die Autopilot-Software dafür namens FSD befindet sich allerdings immer noch in einem begrenzten Beta-Test nur in den USA und erweckt nicht den Eindruck, vor der Vollendung zu stehen. Rechtlich ist sie ein Assistenzsystem der Stufe 2, bei dem stets der Mensch verantwortlich bleibt.
Mercedes wiederum ist seit der Aufregung um die Werbung von 2016 vorsichtiger geworden – aber zumindest regulatorisch weiter gekommen als Tesla. Als erster Autohersteller weltweit habe man vom Kraftfahrtbundesamt eine Genehmigung für ein Level-3-System bekommen, heißt es in einer Mitteilung von diesem Donnerstag. Laut SAE bedeutet das, dass die Person am Steuer unter bestimmten Umständen aus der Verantwortung entlassen ist. Sie muss aber, anders als bei den höchsten beiden Stufen, dort sitzen und wach bleiben und auf eine Aufforderung des Systems hin wieder die Kontrolle übernehmen.
Eigentlich wollte Mercedes den Drive Pilot schon Ende dieses Jahres bei der S-Klasse anbieten, jetzt soll das im ersten Halbjahr 2022 passieren. Die System-Genehmigung gilt laut dem Hersteller auch für das Elektroauto EQS. Die KBA-Zulassung öffne zudem den Weg für eine internationale Genehmigung des Systems, das Mercedes als „hochautomatisiert“ bezeichnet.
System nur für Staus auf Autobahn
Dafür hat das Unternehmen großen Aufwand getrieben, wie der Mitteilung weiter zu entnehmen ist – für eine einstweilen recht begrenzte Funktion. Zunächst einmal gilt die Zulassung nur für Geschwindigkeiten bis 60 Stundenkilometer und nur für Autobahnen, kurz gesagt also praktisch nur im Stau, nicht beim schnellen Vorwärtskommen. Außerdem kann man mit Drive Pilot nur auf Abschnitten die Hände in den Schoß legen, die Mercedes vorher digital kartiert hat. Das sollen zwar 13.191 Kilometer deutsche Autobahn und somit so ziemlich alle sein. Aber es bedeutet, dass das System ohne Vorarbeiten nicht in beliebigen Umgebungen läuft. „Umfangreiche Testfahrten“ in den USA und China soll es bereits geben.
Fast selbstverständlich verwendet Mercedes für Drive Pilot einen Lidar-Sensor, der mit Hilfe von Laser-Strahlen die Umgebung abtastet. Diese Technologie nutzen mittlerweile so gut wie alle Hersteller, die sich dem autonomen Fahren nähern wollen – in China selbst bei manchen Mittelklasse-Elektroautos. Tesla-Chef Musk dagegen lehnt sie hartnäckig als teuer und überflüssig ab. Vor kurzem schaffte er bei Model 3 und Model Y in den USA sogar das Radar ab – allein die Auswertung von Kamera-Bildern („pure vision“) soll die Elektroautos von Tesla autonom machen.