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Alle gegen Tesla, Teil 1: Was kann der Elektro-Erstling VW ID.3 im Vergleich zum Model 3?

Vergleich Tesla Model 3 und ID.3

Vergleich Tesla Model 3 und ID.3

Bild: Martin Zink

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Kann man Äpfel mit Birnen vergleichen oder die teuren, schnellen und schicken Elektroautos von Tesla mit denen anderer Hersteller, die damit bislang vor allem andere Segmente besetzen? Selbstverständlich – möglicherweise kommt dabei eben heraus, dass innerhalb der jeweiligen Paarung nicht viele Ähnlichkeiten bestehen. In diesem Sinn hat sich teslamag.de aufgemacht, möglichst alles mit unserem Tesla Model 3 Standard-Reichweite plus zu vergleichen, was es in Deutschland an Alternativen zu diesem bislang bezahlbarsten Elektroauto aus Fremont gibt. Die Fahrzeuge werden von der spezialisierten Elektroauto-Vermietung nextmove gestellt, den Auftakt macht der VW ID.3 als der Tesla-Konkurrent mit den vorerst wohl besten Verkaufsaussichten.

Tesla Model 3 vs. VW ID.3

Gespannt wartete die Öffentlichkeit auf den VW ID.3, der als erstes ernst zu nehmendes und gemeintes Elektroauto von Volkswagen verstanden wurde – E-Golf und Hybride waren keine echte Alternative zu den Fahrzeugen von Tesla. Doch ist es der ID.3, der Tesla regelrecht überholen wird? Teslamag.de hat einen der ersten in Deutschland außerhalb der VW-Werkstore zugelassenen ID.3 gefahren. Zusammen mit Stefan Moeller von nextmove aus Leipzig gingen wir auf eine ausgiebige Testrunde. In diesem und zukünftigen Tests interessieren wir uns vor allem für drei Bereiche: die Fahreigenschaften, die Qualitätsanmutung und den Bedienkomfort, respektive das Infotainment-System.

Der ID.3 ist ungewöhnlich. Eine Form wie diese kennen wir aus dem VW-Konzern, über alle Marken hinweg, nicht. Das liegt auch an den Möglichkeiten der komplett neuen MEB-Plattform, die für den ID.3 und viele weitere Elektroautos entwickelt wurde. Dass VW als Einstieg in die eigene Elektro-Zukunft eine solche, sehr ungewohnte Form wählt, ist mindestens mutig. Tesla beispielsweise orientierte sich mit seinem ersten Großserien-Fahrzeug Model S klar an den bis dahin üblichen Formen und Geschmackstrends der Automobilindustrie.

VW-Elektroauto völlig neu

VW jedenfalls geht einen anderen Weg und startet mit einem vollkommen unüblichen Fahrzeug. Hässlich ist der ID.3 definitiv nicht, aber die ungewohnten Eindrücke setzen sich im Innenraum fort. Im Fokus unseres Tests steht eine First Edition, quasi die Start-Serie des ID.3. Was wir hier zu sehen bekommen, wirkt auf den ersten Blick vollkommen neu, zumindest für VW. Mittelgroßes Display, das nicht die Auflösung erreicht, die wir aus dem Model 3 kennen, zweites Display hinter dem Lenkrad, sehr einfach wirkendes Plastik und auf den ersten Blick unübersichtlich angeordnete Bedienelemente. Das Licht wird beispielsweise nicht am Zentraldisplay bedient, sondern links hinter dem Lenkrad.

Ein neues Fahrzeug muss aber auch als neu verstanden werden, weshalb auch der ID.3 bei uns die Chance bekommt, die ersten etwas verwunderten Eindrücke zu überwinden. Der zweite Eindruck: Hier steht kein klassischer VW wie Passat, Golf oder Tiguan, hier steht etwas vollkommen Neues. Was uns ebenfalls auffällt: die bekannten Fotos des VWs lassen die Form anders als in der Realität wirken. Die Idee, die VW mit dem ID.3 verfolgt, setzt sich von den bisherigen Fahrzeugen vollständig ab. Das gefällt uns einerseits, andererseits haben wir das schlicht nicht erwartet. Dafür kann VW nichts.

First Edition, Business, Life und Pro. So nennt VW die Ausstattungsreihen des ID.3. Dinge, die man aus der alten Fahrzeugwelt kennt und die zeigen, das VW an den für sie bewährten Ausstattungsoptionen festhält. Unser Testobjekt verfügte über das komplette Infotainment-System zum Stand der Auslieferung. Hier merkt man, dass VW versucht sich etwas zu trauen, aber sicherheitshalber noch an den bekannten Dinge festhält. Wir nennen das unentschlossen. So jedenfalls gewinnt man keine Technikfreunde. Das Hauptdisplay kann zwischen „Smart“ und „klassisch“ switchen. In der Einstellung klassisch ist die Belüftung konfigurierbar wie in früheren VWs. Scheibe, Innenraum, Füße. In „smart“ geht alles mit etwas mehr Chic. „Füße wärmen“, „Füße kühlen“ zum Beispiel.

Details des Multimedia-Systems

Die verfügbaren Funktionen der Schaltzentrale sind jene, die auch ein einfaches Tablet bietet. Einen Mehrwehrt, gerade wie bei Tesla, um längere Ladezeiten zu überbrücken, sehen wir nicht. Dafür ist das Display zu klein. Netflix oder TV-Empfang? Fehlanzeige. Spiele? Auch nicht vorhanden. Ein bisschen surfen in Bezug auf Ladestationen soll irgendwann verfügbar sein, was man aber bequemer auf dem Smartphone macht. Die Verkehrsfunktionen des ID.3 sind keineswegs eine Neuerung. Live-Verkehrsdaten liefert jedes auch noch so günstige Smartphone samt Google-Maps kostenfrei. Gut, bei Tesla aber schon lange Standard, empfinden wir die Möglichkeit ,vom Smartphone aus die Heizung und die Klimaanlage zu starten. Auch Informationen zum Laden sind verfügbar. Das sollte absoluter Minimal-Standard sein. Aber: Das ganze System im ID.3 ist recht langsam und brauchte an manchen Stellen eine Gedenksekunde, um zu reagieren. Dieser Eindruck wird zusätzlich noch durch einige Animationseinlagen des drehenden ID.3 verstärkt.

Die Lenkrad-Tasten geben eine vom Smartphone bekannte Vibrationsrückmeldung und sind auf der linken Seite in zwei Ebenen zu bedienen. Heißt: zwei Druckpunkte. Auch die Fensterheber sind interessant gelöst: Es gibt nur drei Schalter. Zwei zum Öffnen und Schließen der Fenster, einer um von vorn nach hinten zu wechseln, um die selben Schalter auch für die hinteren Heber nutzen zu können. Auf uns wirkte das zu umständlich. Dieser Aufwand, um einen Schalter zu sparen? Für Klima, Sitzheizung und Lautstärke gibt es keine richtigen Schalter. Eine Art berührungsempfindliche Schalt-Zentrale übernimmt deren Funktionen. Das klappt gut und man findet sich schnell in das Bedienkonzept ein.

Seltsame Materialanmutung im ID.3

Was uns nicht gefällt und bei Tesla deutlich wertiger gelöst ist, ist die Material-Zusammenstellung. Wirklich billig wirkendes, zum Teil anfälliges und graues Plastik, harte Oberflächen und nicht hochwertig wirkende Materialien verpassen dem ID.3 ein seltsames Image. Auch die Spaltmaße sind aus einer anderen (VW-)Welt. Hier ist der ID.3 mit den Tesla-Standards ziemlich vergleichbar, was wir einfach nicht erwartet haben. Selbst die Sitze wirken einfach, sind aber wirklich bequem.

Als Tesla-Chef Elon Musk gemeinsam mit VW-Chef Herbert Diess in Braunschweig eine erste Testfahrt mit dem ID.3 unternahm, bemühte sich Diess zu erklären, dass es sich nicht um einen Sportwagen handle. Das können wir nach einer ersten Testfahrt bestätigen. Aber: der ID.3 in der First Edition beschleunigt schneller als jeder 150 PS Passat oder Golf. Gemeinsam mit nextmove fuhren wir den ID.3 in Leipzig, sowohl in der Stadt als auch auf der Autobahn. Knapp 7,1 Sekunden gibt VW für den Sprint auf 100 km/h an. Das ist deutlich langsamer als das langsamste Model 3, aber immer noch ein guter Wert im Kosmos der Verbrenner-Fahrzeuge.

VW-Elektroauto viel langsamer als Tesla

Allerdings ID.3 ist anders als alle Tesla-Modelle in Bezug auf die Höchstgeschwindigkeit früh abgeregelt: Er kommt nur bis 160 Kilometer pro Stunde. Die Elastizität ab 100 km/h ist deutlich schlechter als die des kleinsten Tesla Model 3, das wir täglich fahren. Uns gefällt ein VW-Detail ganz besonders: Der Wendekreis ist deutlich kleiner als beim Model 3. Damit ist der ganze ID.3 ziemlich gut durch den Stadtverkehr zu zirkeln oder in Parkbuchten zu pressen. Auch toll: Der Tempomat erhält die von den Außenkameras erfassten Geschwindigkeitsbegrenzungen und stellt sie automatisch ein. Das kann Tesla erst seit kurzer Zeit und lange nicht so zuverlässig, wie wir es im ID.3 erlebten.

Der ID.3 gefällt uns. Unser Tesla Model 3 aber auch. Die Fahrzeuge fallen nicht in dieselbe Klasse, weil das Model 3 deutlich teurer und schneller ist. Allerdings ist Teslas Multimedia-System und die gesamte Konnektivität bei weitem überlegen. Warum VW den ID.3 bei 160 km/h abregelt? Dafür haben wir keine sinnvolle Erklärung und hoffen, dass es nicht an Temperatur-Problemen liegt.

Text und Bilder: Martin Zink

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