Vor etwa zwei Jahren erreichte die Elektroauto-Begeisterung ihren bisherigen Höhepunkt. Tesla stand vor knapp 90 Prozent Zunahme seiner Auslieferungen in 2021, der Börsenwert steuerte auf seinen Rekordwert von mehr als 1,2 Billionen Dollar Anfang 2022 zu, und auch Aktien jeglicher anderer Elektroauto-Unternehmen waren an den Börsen weltweit gefragt. Zuletzt aber berichteten die meisten etablierten Hersteller von zu wenig Nachfrage und zogen ihre Pläne für Elektroautos in die Länge. Selbst Tesla scheint sich von seinem langfristigen Wachstumsziel verabschiedet zu haben.
Tesla nicht mehr mit Maximal-Tempo
Er wolle mit Tesla nicht mit maximalem Tempo in die Unsicherheit fahren, erklärte CEO Elon Musk Mitte Oktober in der Telefon-Konferenz zu den Q3-Geschäftszahlen – überraschend, denn man könnte sagen, dass er genau das bislang stets getan hat. Später stellte er sogar das Ziel von 50 Prozent mehr Elektroauto-Verkäufen pro Jahr in Frage, das Tesla erst Anfang 2021 als Durchschnitt für einen längeren Zeitraum genannt hatte. Offensichtlich könne diese Rate nicht ewig gehalten werden, antwortete er auf die Frage, ob es noch gelte.
Ein langjähriger Investor rechnet nach dem relativ schwachen Q3 und den vorsichtigen Musk-Aussagen jetzt damit, dass die Tesla-Verkäufe bis 2030 eher um durchschnittlich 30-40 Prozent statt 50 Prozent zunehmen werden; auch das Ziel von 20 Millionen verkauften Elektroautos in dem Jahr wäre so nicht mehr erreichbar. Konkurrierende Hersteller verschieben unterdessen ebenfalls Elektroauto-Investitionen in die Zukunft.
In den USA nahmen General Motors und Ford, zusätzlich belastet durch einen langen Streik und dann hohen Abschluss mit der UAW, vergangene Woche ihre Gewinn-Prognosen für 2023 zurück und gaben den späteren Start von Fabrik-Neubauten, -Umbauten oder neuen Elektroautos bekannt. In Europa meldete der Volkswagen-Konzern, dass die E-Bestellungen wegen eines insgesamt schwachen Marktes in diesem Jahr unter dem eigenen Ziel lagen. Der Order-Bestand in Europa nach neun Monaten war mit 150.000 Elektroautos nur halb so hoch wie vor einem Jahr.
Weniger Druck auf Elektroauto-Startups
In diesem Umfeld hören sich mögliche 30-40 Prozent Tesla-Wachstum pro Jahr bis 2030 auf dann rund 8,5 Millionen Stück immer noch beneidenswert an – vielleicht abgesehen von BYD, das seine Verkäufe zuletzt viel schneller steigerte und im dritten Quartal bis auf wenige tausend reine Elektroautos an Tesla herankam. Und als CEO Musk in der Q3-Konferenz sagte, das Unternehmen müsse seine Elektroautos bezahlbarer machen, klang das danach, als wolle er die geschwächte Konkurrenz mit weiteren Preissenkungen zusätzlich unter Druck setzen.
Jetzt jedoch gibt es erste zarte Anzeichen für ein Umdenken bei Musk. In China als dem größten und umkämpftesten Elektroauto-Markt der Welt hat Tesla in dieser Woche den Preis für das Model Y Perfomance um 14.000 Renminbi auf umgerechnet gut 47.000 Euro erhöht, nachdem er erst Mitte August um denselben Betrag gesunken war. Ein lokaler Analyst sagte der South China Morning Post, Tesla verschiebe seinen China-Fokus von Volumen zu Profitabilität. Damit nehme das US-Unternehmen Druck von chinesischen Startups wie Nio und Xpeng.
Einen kleinen Schritt in diese Richtung ging Tesla am Freitag zudem auch in seiner Heimat: Der Preis für das Model Y Long Range, erst Anfang des Monats auf das niedrigste Niveau seiner Existenz gesenkt, stieg um 500 Dollar auf 48.990 Dollar.