Wie nach der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das zweite Quartal in diesem Juli befindet sich die Tesla-Aktie derzeit im Sinkflug – am Montag verzeichnete sie ein minimales Plus auf 212,08 Dollar, hatte damit aber seit vergangenem Mittwoch immer noch fast 13 Prozent verloren. Nach den Q2-Zahlen dauerte es etwa einen Monat, bis die Aktie ihren Abwärtstrend durchbrach. Damals hatten Tesla-Gewinn und -Umsatz die Erwartungen allerdings übertroffen, während beides zuletzt enttäuschte. Ein langjähriger Investor sieht damit das langfristige Ziel von 20 Millionen Elektroautos in 2030 als kaum noch erreichbar an – für etablierte Hersteller erwartet er allerdings Schlimmeres als das.
Warten auf Wende bei Tesla-Marge
Insgesamt sieht Gene Munster, der als einer der Mitgründer einer Anlage-Firma mit dem heutigen Namen Deepwater Asset Management früh in Tesla investierte, damit viel Geld verdiente und eine weitere Vervielfachung vorhersagte, weiterhin beste Chancen für den Elektroauto-Pionier, schreibt er in einem Kommentar zu den Q3-Zahlen mitsamt Management-Ausblick. Das aktuelle Jahr werde für Tesla die schwierigste Zeit seit dem Hochlauf beim Model 3 in 2019. Langfristig werde das Unternehmen jedoch von seiner Pole Position bei Elektrifizierung profitieren.
Zur Gewinn-Marge bei Tesla schreibt Munster, diese sei im Auto-Bereich mit 16,3 Prozent nach Abzug von CO2-Einnahmen noch niedriger ausgefallen als von ihm erwartet. Vor eineinhalb Jahren habe sie noch bei 29 Prozent gelegen. Damit habe Tesla immer noch Abstand vor anderen Auto-Herstellern mit 10-14 Prozent Brutto-Marge. Aber der Rückgang sei besorgniserregend, und eine Trendwende werde wahrscheinlich noch ein Jahr auf sich warten lassen. Zunächst sei zudem nur mit einer leichten Erhöhung zu rechnen, weil der Hochlauf des Cybertruck und dann Investitionen für das Tesla-Robotaxi anstünden.
20 Mio. Elektroautos in 2030 „vom Tisch“
Also richtet der Investor seinen Blick weiter in die Zukunft. Möglicherweise nicht vor 2030 werde die Tesla-Marge zu alten Höhen zurückkehren, schreibt er; die größte Unbekannte dabei sei, ab wann die Einnahmen mit der Software FSD für das Autopilot-System zu steigen beginnen. Das Volumen-Ziel bis zu dem fernen Jahr, von Elon Musk zum ersten Mal genannt im September 2020 beim Batterie-Tag von Tesla und seitdem mehrfach wiederholt, hält Munster aber nach den Äußerungen des CEO in der Q3-Konferenz für kaum noch erreichbar.
20 Millionen Elektroauto-Verkäufe im Jahr 2030 lautete dieses Ziel, und laut dem Investor ist es nach Q3 „im Grunde vom Tisch“. Das ergebe sich zum einen daraus, dass derzeit mit nur 25 Prozent Volumen-Wachstum im nächsten Jahr nach wohl 1,8 Millionen Elektroautos in 2023 zu rechnen sei. Von der Basis in 2024 aus würden sich selbst bei 50 Prozent Wachstum in jedem Jahr ab 2025 nur 17 Millionen Tesla-Verkäufe in 2030 ergeben. Zudem hatte CEO Musk in der Konferenz auf Nachfrage selbst gesagt, dass das Anfang 2021 genannte Ziel von durchschnittlich 50 Prozent Volumen-Zunahme pro Jahr nicht ewig gelten könne.
Bei einer jährlichen Wachstumsrate von 30 Prozent im Zeitraum 2025-2030 würden sich 8,5 Millionen Tesla-Auslieferungen im letzten Jahr ergeben, rechnet Munster vor. Als realistisch bezeichnet er 30-40 Prozent jährliche Zunahme über ein Jahrzehnt, also wohl einschließlich der deutlich höheren Rate bis einschließlich 2022. Für 2021 als das Jahr, zu dessen Anfang erstmals das Ziel von im Schnitt 50 Prozent mehr Elektroautos pro Jahr über einen längeren Zeitraum genannt wurde, hatte Tesla eine Steigerung um rund 87 Prozent gegenüber 2020 gemeldet.
Düsterer Blick auf Tesla-Konkurrenten
Mit Blick auf das Potenzial von FSD zeigt sich Munster grundsätzlich optimistisch wie Tesla-CEO Elon Musk, der nach eigenen Angaben auch bereit wäre, Elektroautos ohne Gewinn zu verkaufen und später mit der Software Geld zu verdienen. Er stimme zu, dass das Produkt irgendwann rasch von einem Forschungsprojekt zu einem Must-Have für den Mainstream werde, schreibt er. Die Frage sei aber, ob das noch drei Jahre dauern werde oder ein Jahrzehnt.
Trotz all dem sieht der Investor Tesla immer noch am besten positioniert, um von der Umstellung auf Elektroautos zu profitieren, die einen gewaltigen Gesamtmarkt entstehen lasse. Konkurrenten aus der traditionellen Autowelt hätten nur zwei Optionen: Sie könnten Elektroautos auf Tesla-Niveau zu ihren höheren Kosten produzieren, sie 10-25 Prozent teurer anbieten und so Marktanteile verlieren; alternativ könnten sie subventioniert verkaufen und so mit steigendem Volumen immer mehr Verlust machen. Logisch zu Ende gedacht, bedeute die zweite Option, dass Auto-Hersteller mit mehr als 50-jähriger Geschichte in zehn Jahren zur Restrukturierung oder zum Aufgeben gezwungen sein könnten.