Elon Musk kennt solche Situationen: Im Dezember 2008 trennten Tesla nach seinen Schilderungen nur drei Tage vor einer Zahlungsunfähigkeit, und von Mitte 2017 bis Mitte 2019 steckte das Unternehmen laut seinem CEO mit dem Produktionshochlauf des Model 3 in einer Dauerkrise, in der das Geld manchmal in wenigen Wochen auszugehen drohte. Ganz ähnlich erging es gegen Ende dieser Zeit dem chinesischen Elektroauto-Startup Nio, wie jetzt dessen Gründer und CEO erzählte. Doch dann kam ein Deal zustande, der Nio dringend benötigte Liquidität ins Haus brachte und den Markteintritt von Tesla in China um etwa ein halbes Jahr beschleunigte.
Nio-Börsengang brachte zu wenig ein
Im November 2016 startete Nio mit dem Elektro-Supercar EP9, aber wie bei Teslas Roadster sollte der teure Sportwagen nur den Weg in den breiteren Markt bereiten. 2018 folgte das große SUV ES8, und im September ging Nio in den USA an die Börse. Weil sich das Verhältnis zwischen China und den USA damals verschlechterte, nahm das Unternehmen aber nur etwa 1,1 Milliarden Dollar statt der angepeilten 2 Milliarden Dollar ein, erzählte der Gründer und CEO William Li jetzt in einem Interview mit der chinesischen Late Post.
Dabei war das Geld schon fest eingeplant, berichtete Li weiter. Anfang 2019 kamen nach seinen Aussagen Probleme mit dem Kunden-Service für die bis dahin ausgelieferten ES8 hinzu – und dann musste sogar die Produktion von April bis Oktober 2018 wegen Akku-Brandgefahr zurückgerufen werden. Also verschob Nio laut Li den Bau seiner Fabrik in Shanghai, wo auch Tesla seit Ende 2018 an einer Gigafactory baute. Und dieses Eindringen des Konkurrenten aus dem Westen erwies sich letztlich für Nio als die Rettung – sowohl kurzfristig als auch längerfristig.
Denn Nio hatte schon Anlagen für seine Elektroauto-Fabrik bestellt und zur Hälfte bezahlt, darunter laut Li Anfang 2018 eine Pressen-Straße aus dem Ausland mit einer Reservierungsszeit von 18 Monaten. Mitte 2019 hätte sie also da sein sollen und wartete bereits beim Zoll auf die Abholung. Nio brauchte die große Maschine nicht und es fehlte an Geld dafür – aber Tesla hatte, nachdem die Krise mit dem Model 3 ausgestanden war, sowohl Bedarf als auch Kapital und war in Eile.
Rettung durch Maschinen-Verkauf an Tesla
Also verkaufte Nio die Anlage an Tesla, das laut Li dadurch 6 bis 7 Monate früher an die Anlage kam als auf dem normalen Bestellweg. Ab Herbst 2019 wurden testweise erste Tesla Model 3 in der neuen Gigafactory in China produziert, Anfang 2020 begannen Produktion und Auslieferungen offiziell.
Ohne die Not bei Nio hätte beides vielleicht länger auf sich warten lassen. Doch der kleinere chinesische Konkurrent wurde durch Teslas Maschinen-Kauf nicht nur kurzfristig gerettet, wie Li selbst zu verstehen gab: Er stimmte dem Interviewer zu, dass der frühe Tesla-Start in China das Vertrauen der Börse in Elektroautos gestärkt habe, was dann der gesamten Branche bei späteren Kapitalaufnahmen geholfen habe. „Es besteht kein Zweifel, dass Tesla einen großen Beitrag zu dieser Branche geleistet hat. Wir respektieren sie immer noch sehr“, sagte Li dazu.