Im Konflikt um die Übernahme von Twitter durch Tesla-CEO Elon Musk herrscht seit einer Woche relative Ruhe. Nachdem Musk den Kauf fest vereinbart und dann wieder abgesagt hatte, klagte der Dienst auf Vollzug oder Entschädigung, und nach dem wochenlangen Austausch von Schriftsätzen bot der Tesla-Chef überraschend an, die Transaktion jetzt doch schnell abzuschließen. Diese Entwicklung lastet merklich auf Aktien seines Unternehmens, weil er zur Finanzierung wohl noch mehr davon verkaufen muss. Aber mit dem Kauf ist die finanzielle Belastung für Musk und damit indirekt womöglich auch für Tesla noch nicht beendet.
Twitter-Zinslast schon 300 Mio. Dollar höher
Insgesamt 44 Milliarden Dollar oder 54,20 Dollar pro Aktie hatte Musk in diesem April für Twitter geboten. Dabei soll es nach seinem wiederholten Angebot von Anfang Oktober jetzt auch bleiben. Die zuständige Richterin gab den beiden Seiten noch einmal bis Ende des Monats Zeit, um die Übernahme abzuschließen. Falls das nicht gelingt, dürfe eine rasche Verhandlung folgen, für die Beobachter dem Tesla-Chef nur mäßige Chancen einräumen, sich durchzusetzen. Diese Lage dürfte auch der Grund dafür sein, dass er mit dem neuen Angebot nachgegeben hat – wenn es nicht doch eine Finte war.
Sollte Musk Twitter letztlich freiwillig oder gerichtlich erzwungen tatsächlich kaufen, muss er bis zu 33 Milliarden Dollar Eigenkapital aus der eigenen Tasche aufbringen. Zusätzlich ist vorgesehen, dem frisch übernommenen Unternehmen eine Schuldenlast von rund 13 Milliarden Dollar aufzubürden. Seit dem ersten Angebot sind nicht nur Tesla-Aktien massiv gefallen, sondern auch die Zinsen am Markt stark gestiegen. Und weil ungefähr die Hälfte des Kredits zu variablen Konditionen vereinbart wurde, werden die laufenden Kosten nach der Übernahme immer höher.
Derzeit würden die Zinsen für die Twitter-Kredite bei rund 1,2 Milliarden Dollar pro Jahr liegen, sagte laut einem Bericht des Sydney Morning Herald ein Analyst von Creditsights – geschätzte 300 Millionen Dollar mehr als noch im Mai. Laut dem Kredit-Experten bedeutet das, dass der Spielraum für Fehler bei Twitter kleiner wird. In die neue Kapitalstruktur müsse das Unternehmen erst noch mit höheren Umsätzen und Margen hineinwachsen.
Tesla-Chef könnte lange zahlen müssen
Nicht einfacher wird das durch die Tatsache, dass die Zinsen nach wie vor eine steigende Tendenz zeigen. Derzeit wird am Markt mit einer weiteren Erhöhung der Fed-Leitzinsen um 75 Basispunkte im November gerechnet, und üblicherweise reagieren darauf auch andere Sätze. Laut dem Bericht des Herald ist für 6,5 Milliarden Dollar Twitter-Schulden ein Zins von 4,75 Prozentpunkten oberhalb der Overnight Secured Financing Rate am Interbanken-Markt vorgesehen.
Bei weiteren 6 Milliarden Dollar liegt das Risiko bei den finanzierenden Banken statt beim Tesla-Chef oder Twitter: Dieses Geld soll über Anleihen in die Kasse kommen, und die Banken haben einen Maximalzins dafür zugesagt. Wenn der nicht ausreicht, um die Anleihen am Markt unterzubringen, zahlen sie drauf. Dabei dürften sie nicht begeistert davon sein, dass Musk vor seinem erneuten Angebot monatelang öffentliche Kritik an Twitter geübt und seinem Übernahme-Ziel im Prinzip Betrug mit den gemeldeten Nutzer-Zahlen vorgeworfen hat.
Auf der anderen Seite ist Musk hauptsächlich mit Tesla und SpaceX der reichste Mensch der Welt, könnte im Zweifelsfall also reichlich Geld nachschießen, bis Twitter seine Kosten einschließlich der Milliarden-Zinsen selbst verdienen kann. Ein von Sydney Morning Herald befragter Bloomberg-Analyst sagte dazu, Twitter werde somit wohl mehr Zeit dafür bleiben als bei einer ähnlich mit Krediten gehebelten Übernahme durch normale Finanzinvestoren. Für Tesla- und vielleicht auch SpaceX-Anleger ist das allerdings nicht unbedingt eine gute Nachricht: Musk bekommt kein laufendes Gehalt, sondern nur Aktien-Optionen. Wenn er Twitter längere Zeit finanziell unter die Arme greifen muss, könnte das deshalb auf fortgesetzte Verkäufe hinauslaufen.