Mit seinen Äußerungen über die Coronavirus-Pandemie und ihre Folgen hat Tesla-Chef Elon Musk selbst manche treuen Anhänger verwirrt. Von allgemeiner Kritik an vermeintlich übertriebener Angst vor dem Virus steigerte sich Musk bis Ende April zu der Aussage, die wegen der Pandemie verhängten Einschränkungen in den USA seien „Faschismus“, um dann in dieser Woche offen rechtswidrig die Produktion in Teslas Elektroauto-Werk Fremont wieder aufzunehmen. Ein Artikel in der Financial Times (FT) beschäftigt sich jetzt mit der Frage, wie sich das für manche unerklärliche Verhalten des Tesla-Chefs erklären lässt.
Taktisch geschickter Tesla-Chef?
Auf jeden Fall ist die aktuelle Situation bei weitem nicht die einzige, in der sich Musk von einer Behörde nicht sagen lassen will, was er darf oder nicht. So hat er laut seinem Biografen Ashlee Vance im Jahr 2014 etwas getan, das als völliger Wahnsinn gilt, wenn man je einen Auftrag von der US Air Force bekommen will: Er verklagte sie, weil seine Raketen-Firma SpaceX bei einer Ausschreibung nicht berücksichtigt wurde. In seiner Eigenschaft als Tesla-Chef bekam Musk später Ärger mit der US-Börsenaufsicht SEC, nach dem vereinbart wurde, dass er kursrelevante Twitter-Nachrichten zu Tesla vorab prüfen lässt – und später machte Musk klar, dass er sich daran nicht zu halten gedenkt.
Trotzdem sieht der Elektroauto-Autor Mario Herger laut der FT Musk jüngstes Aufbegehren gegen Corona-Sperren als geschickten Marketing-Schachzug: Tesla baue spätestens mit dem Cybertruck zunehmend Autos, die nicht mehr hauptsächlich an „Freaks und Geeks im Silicon Valley“ gerichtet seien. Deshalb wolle Musk sich „Rednecks, Land-Jungs und Handwerkern“ annähern – mit einer neuen Gigafactory in Texas, aber auch mit lauten Freiheitsrufen im Stil von US-Präsident Trump (der sich hinter die Neustart-Forderungen des Tesla-Chefs stellte).
„Musk kämpft gegen alles und jeden“
Besser allerdings dürfte ein Mann die Motivation von Musk kennen und erklären, der laut dem Artikel seit fast zwei Jahrzehnten mit ihm befreundet ist: Scott Painter, Gründer des Auto-Abodienstes Fair: „Es steckt keine Politik dahinter, nur Pragmatismus und Überleben“, sagte er der FT. Auch der frühere GM-Chef Bob Lutz, der schon häufig mit negativen Aussagen über Tesla aufgefallen ist, sieht beim aktuellen Treiben des CEO nichts als dessen Persönlichkeit am Werk: „Musk wird gegen alles und jeden kämpfen, ganz egal wie groß oder welcher politischen Ausrichtung, wenn er eine echte Bedrohung für das Überleben des Unternehmens wahrnimmt.“
Direkt bedroht erscheint Tesla dank üppiger Bar-Reserven unter anderem durch eine offenbar spontane Kapitalerhöhung im Februar durch die Corona-Einschränkungen noch nicht – und gewiss weniger als traditionelle Hersteller, die parallel zur Entwicklung und Vermarktung neuer Elektroautos noch versuchen müssen, Geld dafür mit konventionellen Fahrzeugen zu verdienen. Dennoch konnte auch Tesla gut sechs Wochen lang im Stammwerk Fremont nichts produzieren, was das Unternehmen laut einem UBS-Analysten 500 Millionen Dollar Umsatz pro Woche kostete. Und mit seinem zunehmend lauten Auftreten könnte CEO Musk trotz aller Kritik durchaus dafür gesorgt haben, dass sich das vorsichtige County Alameda auf einen Fremont-Neustart an diesem Montag einließ.