Die Nachricht von der Tesla-Entscheidung für einen Fabrik-Standort in Deutschland Ende 2019 kam überraschend, wurde dann aber überwiegend mit Begeisterung aufgenommen – Politiker von der lokalen bis zu Bundesebene stellten sich hinter das Projekt, für dessen Genehmigung das von den Grünen besetzte Umweltministerium Brandenburgs zuständig war. Widerstand leisteten hauptsächlich Umwelt-Verbände, die zwar nach eigenem Bekunden nichts gegen Elektroautos haben, aber den Standort für unpassend halten. Trotzdem wurde die deutsche Gigafactory relativ schnell genehmigt, und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wünschte sich für ganz Deutschland einen Energie-Umbau in Tesla-Geschwindigkeit. Dazu sieht er sich neuerdings sogar gezwungen – stößt aber wie zuvor das Unternehmen auf Widerstand von Umweltschützern.
Umwelthilfe will den „LNG-Turbo“ nicht
Entschlossen und ein wenig stolz präsentierte sich Habeck am Donnerstag in einem Twitter-Video aus Wilhelmshaven. Soeben habe die Rammung für den Bau eines LNG-Terminals dort begonnen, erklärte er an der Küste stehend. Bereits Ende dieses Jahres soll in Wilhelmshaven ein schwimmendes Terminal in Betrieb gehen, an dem Tankschiffe anlegen können. Seit Beginn der Planungen wären dann nur zehn Monate vergangen, sagte der Minister, obwohl eher mit zehn Jahren zu rechnen gewesen sei. Das wäre für Deutschland dann sogar „Lichtgeschwindigkeit“, hatte er zuvor erklärt, also wohl noch schneller als das im März geforderte Tesla-Tempo. Schleswig-Holsteins Grünen-Spitzenkandidaten sagte Ende April, wenn jemand „den LNG-Turbo zünden“ könne, dann ihre Partei zusammen mit Habeck.
Doch ähnlich wie bei der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin wollen bei der Aufbruchstimmung nicht alle mitmachen. Die Organisation Deutsche Umwelthilfe hatte schon am Vortag Widerspruch gegen den Bescheid der niedersächsischen Landesregierung eingelegt, der den vorzeitigen Beginn der Arbeiten in Wilhelmshaven erlaubte, informierte sie. Bund und Land würden mit ihrem derzeitigen Vorgehen Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit aushebeln, kritisierte der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. Der Zerstörung von Lebensgrundlagen werde Tür und Tor geöffnet und die Zivilgesellschaft aus grundlegenden Entscheidungen ausgeschlossen. Dabei sei nicht einmal belegt, dass die LNG-Terminals wirklich gebraucht werden.
Bundesminister #Habeck besucht bei seiner #BundLänderReise #Wilhelmshaven in #Niedersachsen und spricht über das Vorankommen beim Ziel der Unabhängigkeit von russischem Gas. pic.twitter.com/XCqM9Zg4Ah
— Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (@BMWK) May 5, 2022
Die jetzt im erhofften Rekord-Tempo aufzubauende Infrastruktur werde so ausgelegt, dass sie später auch für Wasserstoff genutzt werden kann, erklärte der grüne Wirtschaftsminister Habeck in seinem Wilhelmshaven-Video weiter. In Zukunft solle sie also auch zum Erreichen von Klimaneutralität beitragen können. Der Umwelthilfe geht es in der aktuellen Situation allerdings nicht grundsätzlich um das Problem mit den CO2-Emissionen von Erdgas, sondern um andere Schutzgüter als das Klima: Durch den Lärm beim Rammen von Pfählen würden Schweinswale in der Jade-Mündung gefährdet, außerdem würden die Arbeiten ein geschütztes Unterwasser-Biotop teilweise zerstören.
Terminal-Bau so schnell wie bei Tesla?
Für einen Grünen-Minister müsste das traditionell ein Thema sein, aber offenbar ähnlich wie sein mit Tesla befasster Kollege im Brandenburger Umweltressort hat Habeck derzeit andere Prioritäten: Er sei der größte Schweinswal-Fan der ganzen Bundesregierung, sagte er in einem TV-Interview, doch in diesem Fall müsse die Energie-Sicherheit Vorrang haben. An die Umwelthilfe appellierte er, nach dem Widerspruch nicht auch noch eine Klage gegen die LNG-Genehmigung einzureichen.
Das hat allerdings schon in Brandenburg nicht funktioniert: Dort berichtete in diesem Januar die Geschäftsführerin des Nabu, unter anderem aus dem Umweltministerium des Landes sei ihr mehrfach nahegelegt worden, auf eine Wasser-Klage in Zusammenhang mit der Tesla-Fabrik zu verzichten. Das Verfahren ging dennoch weiter und wurde sogar im Sinne der Kläger entschieden. Den offiziellen Start der deutschen Gigafactory Ende März konnte es trotzdem nicht verhindern, sodass sie letztlich rund 2 Jahre und 3 Monate nach dem ersten Antrag dafür in Betrieb ging. Habeck dürfte für Wilhelmshaven und die weiteren geplanten LNG-Standorte darauf hoffen, mit ähnlich mäßigen Verzögerungen fertig zu werden.