Dass er im neuen Jahr auch bei Twitter aktiv werden würde, hatte der Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess schon kurz vor Weihnachten 2020 in seinem bis dahin bevorzugten Netzwerk LinkedIn angekündigt. Dann ließ er eine Weile auf sich warten, aber am Mittwoch war es so weit: Schon mit einem blauen Häkchen zur Bestätigung seiner Echtheit versehen, meldete sich der im Dezember angelegte Account @Herbert_Diess erstmals zu Wort – und versuchte mit einer kleinen Provokation gegen Tesla und dessen CEO Elon Musk gleich, sich den dort herrschenden Sitten anzupassen.
Diess auf medialem Tesla-Kurs
Diess war schon vorher in vielerlei Hinsicht auf Tesla-Kurs. Wohl entschiedener als jeder andere Chef aus der alten Auto-Welt baut er Volkswagen zum Elektroauto-Hersteller einschließlich eigener Software auf zentralen Computern um und warnt, dass alles andere keine Zukunft habe. Und mit dem Schritt auf Twitter, wo sein Gegenüber bei Tesla schon seit gut zehn Jahren aktiv ist, folgt Diess Elon Musk jetzt auch bei der Wahl der Medien.
Dass der Twitter-Account des VW-Chefs nicht so unterhaltsam und informativ wird wie der von Musk, kann als ausgemacht gelten. Denn so entschlossen Diess bei VW ein neues Zeitalter einläuten will, so sehr wird er von den alten Konzernstrukturen gebremst. Musk dagegen hat auf Twitter 43 Millionen Follower, von denen sich nicht wenige als Gefolgsleute im engeren Sinn zu verstehen scheinen, und er versorgt sie zu beliebigen Tages- und Nachtzeiten mit Neuigkeiten zu Tesla oder einem seiner anderen Unternehmen – oder auch mit neuen Memes, die meistens nicht einmal schlecht sind.
Hello @Twitter! I’m here to make an impact with @VWGroup, especially on political issues. And, of course, to get some of your market shares, @elonmusk – after all, our ID.3 and e-tron have won the first markets in Europe. Looking forward to productive discussions!
— Herbert Diess (@Herbert_Diess) January 20, 2021
So gesehen hat Diess auf Twitter eine ähnlich harte Nuss zu knacken wie bei der Elektroauto-Aufholjagd auf Tesla (und wenn man die Analogie weiterdenkt, wird VW an den Pionier wohl nie herankommen). Aber er oder sein PR-Team gab sich bei der Twitter-Premiere zumindest Mühe, den passenden Ton zu treffen.
„Hallo Twitter“, begann die auf Englisch verfasste erste Nachricht. Er sei gekommen, um etwas für den VW-Konzern zu erreichen, vor allem bei politischen Themen, fuhr @Herbert_Diess fort, und traute sich dann etwas: „Und natürlich, um etwas von Ihren Marktanteilen zu bekommen, @elonmusk – schließlich haben unser ID.3 und e-tron die ersten Märkte in Europa gewonnen.“
Elektroauto-Konkurrenzdenken kritisiert
Mit „freue mich auf produktive Diskussionen“, schloss der VW-Chef dann friedlicher – er und sein Tesla-Pendant sind sich mindestens kollegial gut verbunden, sodass Musk ihm den kleinen Europa-Seitenhieb wohl nicht übelnehmen wird. Das Twitter-Vorbild selbst reagierte zunächst nicht auf das Debut seines deutschen Kollegen, aber mit mehr als 2000 Likes und fast 500 Retweets sowie gut 500 Kommentaren bis zum späten Mittwochabend war das Echo vorzeigbar. Die Zahl der Diess-Follower stieg fast zum Mitzählen auf mehr als 6000.
Inhaltlich enthielten die Reaktionen die erwartbare Mischung aus Glückwünschen, Gehässigkeit, Versöhnung und Blödsinn. Vielfach wurde Diess auf Twitter willkommen geheißen und für seinen Schritt in die wildere Welt dort gelobt. Mehrere Kommentatoren verwiesen auf der anderen Seite auf die VW-Verstrickung in den Dieselskandal. Viele kritisierten, Diess solle nicht Tesla Marktanteile abzunehmen versuchen, sondern lieber zusammen daran arbeiten, Verbrenner-Autos zu verdrängen. Aber so hätte sich Diess, wenn überhaupt, wohl höchstens dann geäußert, wenn er wie Musk auf Twitter wirklich machen dürfte, was er will.