In Deutschland wie den USA werden Gewerkschaften für die Auto-Branche von der obersten politischen Ebene unterstützt: US-Präsident Joe Biden stellte sich vor kurzem zu den Posten der UAW, deren Mitglieder für höhere Löhne bei General Motors, Ford und Stellantis streiken, und am Dienstag besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz den Gewerkschaftstag der IG Metall. Ebenfalls in beiden Ländern ist es Tesla bislang gelungen, seine Fabriken anders als der Rest der Branche weitgehend frei von Gewerkschaftseinfluss zu halten. Wie die neue Chefin der IG Metall ankündigte, soll sich das in Deutschland allerdings ändern.
IG Metall will in deutsche Tesla-Fabrik
Nach ihrer eigenen Darstellung übt die Gewerkschaft auf die Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin durchaus schon Einfluss aus. Mitte Oktober veranstaltete sie um die Fabrik herum und in ihr einen „Tesla-Blitz“ mit Aufklebern und Info-Angeboten, an dem sich nach ihren Angaben mehr als 1000 Beschäftigte beteiligten. Eine der Folgen davon soll eine Erhöhung der Bezahlung für Gigafactory-Mitarbeit ab nächstem Jahr gewesen sein. Tesla bestätigte den Zuschlag, erklärte aber, er habe mit der Aktion nichts zu tun gehabt.
Bislang besteht der Betriebsrat bei Tesla, der schon früh und dadurch mit relativ wenigen einfachen Beschäftigten gewählt wurde, nicht mehrheitlich aus Mitgliedern, die auch der IG Metall angehören. Eine Neuwahl steht wegen des schnellen Personal-Wachstum aber schon 2024 an, und die Gewerkschaft scheint sich dafür warmzulaufen. Und auch bei ihr ist Tesla spätestens jetzt sozusagen Chefinnen-Sache: in der Person von Christiane Benner, die am Dienstag beim Gewerkschaftstag in Frankfurt ihre erste Rede als Erste Vorsitzende der IG Metall hielt (s. Foto oben).
Als Redner zu Gast bei der Veranstaltung war auch Bundeskanzler Scholz, der laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau unter anderem den Wunsch äußerte, dass es in Deutschland auch in Zukunft eine starke Stahlindustrie gibt. Dazu hofft die Branche mitsamt der IG Metall auf einen subventionierten Industrie-Strompreis, den Scholz aber noch nicht fest zusagte. Außerdem kündigte er an, gewerkschaftliche Rechte beim digitalen Zugang zu Beschäftigten zu stärken und Schlupflöcher zu schließen, die Mitbestimmung verhindern.
„Gewerkschaftsfreie Zone nichtmal auf Mars“
Diese Themen betreffen sämtlich auch Tesla, und die neue Chefin Benner sprach das US-Unternehmen sowie seinen CEO Elon Musk in ihrer Rede zuvor direkt an. Die IG Metall wolle die Industrie weiterentwickeln und nicht abwickeln und eine begonnene „Deindustrialisierung“ stoppen, sagte sie zunächst. Von Tesla als dem bereits größten Industrie-Arbeitgeber Brandenburgs mit seiner hochmodernen Elektroauto-Fabrik könnte man sagen, dass es einen Beitrag dazu leistet. Aber Benner genügt das nicht: „Wir lassen keine gewerkschaftsfreien Zonen zu, noch nicht mal auf dem Mars“, rief sie laut Rede-Manuskript Elon Musk zu.
Als konkrete Veränderung forderte Benner Tarif-Bedingungen auch bei Tesla – wo laut Berichten schon der aktuelle Betriebsrat Forderungen gestellt hat, die über dem deutschen Niveau liegen, was allerdings umstritten ist. Dann ging sie zur allgemeinen Angleichung von Lebensbedingungen und Löhnen in Deutschland über und lobte die IG Metall dafür, im Osten jetzt in vier von fünf tarifgebundenen Unternehmen Regelungen für 35-Stunden-Wochen abgeschlossen zu haben. Auch das dürften Tesla-Chef Musk und seine deutschen Statthalter, die ungefähr zur gleichen Zeit nahe Grünheide die geplante Gigafactory-Erweiterung erörterten, nicht unbedingt gern gehört haben.