Gemessen an ihren Programmen kann keine der Parteien, die bei der Wahl zum deutschen Bundestag an diesem Sonntag antreten, die Einhaltung auch nur des Ziels zur Emissionsverringerung nach dem Klimaschutzgesetz gewährleisten. Klar am nächsten würden ihm laut einer Studie des Instituts DIW Econ von Anfang September die Grünen kommen – aber das nationale Ziel reicht wiederum nicht aus, um das deutsche Emissionsbudget im internationalen Rahmen einzuhalten. Es müsste also mehr geschehen, als die Politik sich vornimmt. Und tatsächlich geht laut einer anderen Studie die Privatwirtschaft voran.
2/3 der größten Emittenten mit Null-Ziel
BloombergNEF, ein Ableger für Daten zu erneuerbaren Energien der Finanz-Nachrichtenagentur mit dem gleichen Vornamen, behält unter anderem die Klima-Pläne von 167 so genannten Fokus-Unternehmen im Auge. Diese wurden von der Anleger-Koalition Climate Action 100+ identifiziert und sollen zusammen für gut 80 Prozent der weltweiten Emissionen von Treibhaus-Gasen aus der Industrie verantwortlich sein. Und 111 von diesen 167 größten globalen Verschmutzern haben sich laut BNEF inzwischen vorgenommen und zugesagt, ihren Ausstoß bis 2050 auf Null zu reduzieren.
Das macht ziemlich genau zwei Drittel, und eine BNEF-Grafik (s. oben) lässt anschaulich erkennen, wie sehr solche Klima-Festlegungen im Trend liegen: Bis Anfang 2019 blieb ihre Zahl unter den Fokus-Unternehmen einstellig, zeigt seit Mitte desselben Jahres aber einen rapiden Anstieg. Eine wichtige Einschränkung ist dabei allerdings, dass ein „net zero“-Ziel zweierlei bedeuten kann: Wirtschaften tatsächlich ohne CO2-Emissionen oder nur rechnerisch, indem anderswo für Ausgleich gesorgt wird.
Auf die zweite Weise bis 2050 „bilanziell“ klimaneutral werden will zum Beispiel nach eigenen Angaben Volkswagen (BNEF nennt in seiner Mitteilung nicht alle Namen der Fokus-Unternehmen); das Elektroauto VW ID.3 soll es schon heute sein. Tesla wiederum informierte in seinem neuen Impact Report 2020, die eigenen Solar-Installationen bei Kunden hätten bislang mehrere Male so viel Strom produziert, wie alle Fabriken des Unternehmens seit 2012 verbraucht hätten. Damit wäre Tesla sozusagen sogar klima-positiv. Allerdings ist nicht klar, ob in den Berechnungen auch der hohe Energiebedarf für die Produktion von Batterie-Zellen berücksichtigt ist.
Märkte wollen konkrete Fortschritte
Die von den bislang 111 Fokus-Unternehmen verkündeten Ziele haben laut BNEF jedenfalls ein gewaltiges Ausmaß. Im Jahr 2030 wollen sie zusammen 3,7 Milliarden Tonnen CO2-Äqivalente weniger emittieren, in 2050 dann 9,8 Milliarden Tonnen. Der zweite Wert entspricht knapp den gesamten jährlichen Klima-Emissionen von China von heute und einem Viertel des globalen Gesamt-Ausstoßes. Aus der Wirtschaft gibt es, angeschoben durch Langfrist-Anleger, also mehr Selbstverpflichtungen zu Klimaneutralität, als weite Teile der deutschen Parteien-Landschaft ihr abverlangen wollen. Nachdem eine Null-Zusage inzwischen fast schon zum guten Ton gehört, werden die Märkte laut BNEF jetzt aber verstärkt darauf achten, ob und welche konkreten Fortschritte die Unternehmen auf diesem Weg machen.