Seit diesem Frühjahr hat Tesla ein juristisches Problem – oder eine ganze Reihe davon – mehr: Eine „ausländische Publikation“ habe berichtet, dass sie über veruntreute Daten aus dem Unternehmen und seiner Kunden verfüge, hieß es erstmals im Finanzbericht für das zweite Quartal. Im neuesten Bericht wird zusätzlich erwähnt, dass deshalb in mehreren US-Bundesstaaten Klagen eingereicht wurden. Den Namen der Publikation nannte das Unternehmen beide Male nicht, aber dabei handelt es sich um das deutsche Handelsblatt, das im Mai von einem riesigen Datenleck bei Tesla berichtete – und jetzt auch verriet, wer dahinter steckte.
Tesla-Whistleblower mit Abgleich gefunden
In seinem ersten Artikel-Paket über die „Tesla-Files“ im Umfang von mehr als 100 Gigabyte schrieb das Handelsblatt, ab November 2022 Daten von einem Insider bekommen zu haben. Später soll mehr als eine Person gezeigt haben, „wie sie im IT-System des E-Auto-Bauers Daten jedweder Art suchen, aufrufen und speichern konnten“. Informationen sollen also unzureichend geschützt gewesen sein, geschäftliche ebenso wie persönliche von Beschäftigten und Kunden. In einer Eingabe an US-Behörden schrieb Tesla im August, zwei frühere Mitarbeiter hätten Daten zu gut 75.000 Personen abgerufen und der Zeitung zur Verfügung gestellt.
Die Namen der Informanten hielt das Handelsblatt geheim, doch in einem neuen Bericht wird einer davon vorgestellt (und kein weiterer erwähnt), zusammen mit einer langen Vorgeschichte des Daten-Leaks. Der Tesla-Insider nenne erstmals seinen Namen, heißt es darin, was wahrscheinlich nur bedeutet, dass die Zeitung ihn vorher nicht verraten sollte. Sein ehemaliger Arbeitgeber soll inzwischen jedenfalls wissen, wer unerlaubt massenhaft Daten abgerufen hat: Tesla habe einen Katalog von Fragen mit Zugriff-Protokollen abgeglichen und so den Whistleblower identifiziert.
Ehemaliger Jünger mit Kontakt zu Musk
Laut dem Bericht heißt er Lukasz Krupski, stammt aus Polen, war seit Ende 2018 bei Tesla in Norwegen beschäftigt und hätte sich anfangs selbst als „Jünger“ des Unternehmens und seines CEO Musk bezeichnet. Selbstlosen Einsatz für die Mission soll er noch in der Probezeit gezeigt haben, als er im März 2019 bei der Präsentation des Model 3 in Norwegen die Entstehung eines größeren Feuers verhinderte, indem er bereits brennende Komponenten aus einem solchen Elektroauto riss. Der Tesla-Chef bedankte sich persönlich, berichtet das Handelsblatt.
Damit war zu Krupskis Freude ein direkter Kontakt zu dem bewunderten CEO hergestellt, zumal der bei dem einfachen Service-Mitarbeiter nachfragte, ob er Verbesserungsvorschläge hat. Schon bald fand er laut dem Bericht allerdings kein Gehör mehr damit, und als Krupski Musk um Hilfe bat, weil sein Vorgesetzter ihn loszuwerden versuche, schrieb der Tesla-Chef zurück, er könne sich nur um Angelegenheiten kümmern, die für das Unternehmen von entscheidender Bedeutung sind.
Zu einer Kündigung kam es laut dem Bericht zunächst nicht, aber Krupski wurde in den Keller der Auslieferungsabteilung eines norwegischen Tesla-Standorts versetzt, wo er sich meist allein um Elektronik-Probleme kümmern sollte. Außerdem bekam er zwei Abmahnungen und soll im September 2020 wegen der nervlichen Belastung zusammengebrochen sein. Spätestens zu dieser Zeit dürfte er sich nicht mehr als Tesla- und Musk-Jünger gefühlt haben: Wie das Handelsblatt berichtet, wurde er anschließend lange krankgeschrieben, nahm Kontakt zu Kritikern des Unternehmens auf und begann im November 2021, unbemerkt Daten zu sammeln.
Tesla soll Einigung angeboten haben
Ende des Jahres wurde ihm gekündigt, geht die Handelsblatt-Geschichte weiter, und im November 2022 meldete er sich zunächst anonym bei der Zeitung, der er dann die vielen Tesla-Daten präsentierte. Nach der Veröffentlichung in diesem Mai bekam er im Juni frühmorgens Besuch von Behörden-Vertretern, die seine Wohnung in Norwegen durchsuchten und elektronische Geräte mitnahmen.
Von der Beschlagnahmung von Geräten bei zwei früheren Mitarbeitern, gegen die Anzeige erstattet worden sei, hatte in seiner US-Meldung von August auch Tesla selbst berichtet – wobei in dem Handelsblatt-Bericht jetzt stets nur von dem einen die Rede ist. Nach Angaben des Unternehmens wurde den Beschuldigten bereits gerichtlich verboten, von den Daten weiteren Gebrauch zu machen. Laut Handelsblatt hat Tesla Krupski noch bis vor kurzem mit allen juristischen Mitteln gedroht, Mitte Oktober aber angeboten, auf alle rechtlichen Ansprüche zu verzichten, wenn er die Daten löscht. Der Ex-Held und -Jünger soll das abgelehnt haben, weil er noch weitere Missstände aufzudecken habe.