In diesem Jahr dürfte Tesla in Norwegen erneut die meistverkaufte Auto-Marke unabhängig vom Antrieb sein – im November führte zwar Toyota die Neuzulassungen an, doch insgesamt lag das Elektroauto-Unternehmen mit weitem Abstand vorn. Eine so starke Stellung hat es bislang in wohl keinem anderen Land der Welt. Allerdings gehört Norwegen auch zu Skandinavien, was bedeutet, dass sich dortige Gewerkschaften Streiks gegen Tesla in Schweden anschließen. Zudem klagt dort ein früherer Tesla-Mitarbeiter, der jetzt als Whistleblower auftritt, und die Verkehrsbehörde könnte einen Rückruf verfügen. Aktualisierung: Eine Untersuchung des Problems dahinter gibt es auch in Schweden (s. ganz unten).
Früherer Tesla-Mitarbeiter klagt selbst
Ob Lukasz Krupski ein Whistleblower im engen Sinn ist oder nicht, könnte sich bald vor Gericht klären. Das deutsche Handelsblatt jedenfalls bezeichnet den früheren Tesla-Mitarbeiter so, der ihm vor einigen Monaten massenhaft interne Daten zur Verfügung gestellt hatte. Als er 2018 als Service-Techniker in Norwegen begann, war er laut einem Porträt der Zeitung ein „Jünger“ von Tesla-CEO Elon Musk. Dann soll er wegen Verbesserungsvorschlägen intern in Ungnade gefallen sein und heimlich Daten gesammelt haben, bevor ihm Ende 2021 gekündigt wurde.
Für die Inhalte, die unter anderem Autopilot-Probleme betreffen, sollen sich zwar auch US-Behörden interessieren. Bislang scheint das Problem für oder bei Tesla aber eher darin zu liegen, dass Krupski überhaupt an die Daten kam. Dazu sollen auch persönliche Informationen zu vielen zehntausend Beschäftigten (einschließlich Musk) und Kunden gehören, die nicht nur im eigenen Interesse des Unternehmens zu schützen sind, sondern weil es in Europa wie den USA vorgeschrieben ist. Nach Angaben des Whistleblowers waren sie für ihn und andere einfache Beschäftigte ohne Weiteres abrufbar.
Tesla bezeichnete ihn nach dem ersten Bericht aus Deutschland von diesem Mai als unzufriedenen Ex-Mitarbeiter, der seine Möglichkeiten als Techniker missbraucht habe, und erstattete Anzeige. Daraufhin wurde die Wohnung von Krupski in Norwegen durchsucht, und Beamte nahmen elektronische Geräte mit. Der Drohung mit „allen juristischen Mitteln“ gegen ihn sollen dann aber zunächst keine Taten gefolgt sein. Und wie das Handelsblatt jetzt berichtet, hat er inzwischen selbst Klage gegen Tesla eingereicht.
Norwegische Behörde untersucht Rückruf
Darin wird er laut dem Bericht sogar staatlich unterstützt: Ein Bezirksgericht habe Anfang Dezember entschieden, dass Krupski in seinem Prozess gegen Tesla eine kostenlose Rechtsvertretung bekommt. Gegenüber der deutschen Zeitung begründete er die Klage damit, dass ihm Jahre seines Lebens gestohlen worden seien. Aus diesem Grund fordert er den entgangenen Lohn und Schmerzensgeld, weil er durch die Beschäftigung bei Tesla schwer traumatisiert worden sei.
Wenn es zu einem Prozess darum in Norwegen kommt, dürfte er weltweit interessiert verfolgt werden – also könnte Tesla eine stille Einigung bevorzugen. Ähnlich sieht es bei einem weiteren Thema in dem Land aus, das am Donnerstag bekannt wurde: Laut einem Bericht von Reuters prüft die norwegische Verkehrsbehörde seit gut einem Jahr einen möglichen Rückruf aller Model S und Model X (s. Foto oben). Anders als bei dem aktuellen riesigen Autopilot-Rückruf in den USA soll es dabei nicht nur um ein Software-Update gehen, sondern um hintere Querlenker, die zu leicht brechen.
Anlass dafür waren laut Reuters Kunden-Beschwerden über das Problem. Eine Entscheidung werde bis Weihnachten erwartet, also sehr bald. Voraussetzung für einen Rückruf wäre nach Angaben eines Vertreters der Behörde, dass sie ein „schweres Risiko“ feststellt. Sollte es nach ihrer Einschätzung vorliegen, könnte sie auch gegen den Willen von Tesla einen Rückruf verfügen, wenn das Unternehmen anderer Meinung ist. Vor der Autopilot-Maßnahme in den USA hatte Tesla Schlussfolgerungen der NHTSA nach deren Angaben widersprochen, sich aber trotzdem für einen freiwilligen Rückwurf entschieden.
Tesla soll Probleme verschwiegen haben
Der norwegische Fall steht laut Reuters zudem in Zusammenhang mit einem Bericht vom Vortag, in dem die Agentur schreibt, zehntausende Tesla-Kunden weltweit hätten in den vergangenen Jahren mit frühzeitigem Versagen von Fahrwerks- oder Lenkungskomponenten zu tun gehabt. Probleme mit solchen Bauteilen seien intern bekannt gewesen, doch Tesla soll das Ausmaß gegenüber Behörden falsch angegeben haben und von Kunden zum Teil Geld für die Reparatur verlangt haben.
Das sind schwere Vorwürfe, zu denen das Unternehmen nach Angaben von Reuters wie üblich nichts sagte. In Norwegen soll es im Dezember ein letztes Treffen mit Tesla zu dem Thema gegeben haben. Einen Rückruf könnte die lokale Behörde laut dem Bericht an die EU-Datenbank Safety Gate melden, über die Mitgliedsstaaten und ihre Bevölkerung auf potenziell gefährliche Produkte aufmerksam gemacht werden. Auf diese Weise könnte also ein weiteres heikles Thema für Tesla, das im Elektroauto-Land Norwegen seinen Ausgang nahm, für den Rest Europas und vielleicht der Welt relevant werden.
Update: Tesla-Verfahren auch in Schweden
Aktualisierung: Norwegen ist nicht das einzige Land in Skandinavien, in dem das Querlenker-Problem behördlich untersucht wird. In Schweden gebe es ein ähnliches Verfahren, schrieb laut einem Reuters-Bericht von Freitag ein Sprecher der Verkehrsbehörde auf Anfrage. Weitere Angaben zu der noch laufenden Untersuchung wollte er nicht machen.