Mit langwierigen Genehmigungsverfahren und Protesten mancher Gruppen mag Tesla gerechnet haben, als es sich für das deutsche Grünheide bei Berlin als Standort für eine Gigafactory in Europa entschied, aber mit terroristischen Anschlägen dagegen? Genau dazu aber kam es wohl in dieser Woche: Am frühen Dienstagmorgen setzten Unbekannte einen Strommast nahe der Fabrik in Brand, was dazu führte, dass dort und in umliegenden Gemeinden der Strom ausfiel. Die Produktion bei Tesla soll erst kommende Woche wieder beginnen. Der Vorfall löste eine Diskussion über die Sicherheit kritischer Infrastruktur in Deutschland aus, gegen die „Vulkangruppe“, die sich zu dem Anschlag gegen Tesla bekannte, wird wegen Terrorismus-Verdacht auf Bundesebene ermittelt.
Tesla-Chef kritisiert auf Deutsch
In seinem Sozialmedium X äußerte sich Tesla-CEO Elon Musk noch am Dienstag dazu: Die Täter seien entweder die dümmsten Öko-Terroristen der Welt oder Marionetten von anderen Kräften, die keine guten Umwelt-Ziele hätten, schrieb er. Die Produktion von elektrischen statt konventionellen Autos zu stoppen, „ist extrem dumm“, erklärte Musk und benutzte für den letzten Teil deutsche Worte. Sein lokaler Fabrik-Chef Andre Thierig sprach von einem wirtschaftlichen Schaden im hohen dreistelligen Millionen-Bereich, also wohl oberhalb von 500 Millionen Euro – was Experten laut einem Bericht der Wirtschaftswoche für erstaunlich hoch hielten.
Zunächst hieß es, durch den Anschlag müsse die Produktion bei Tesla bis Ende der Woche ruhen, also vier Tage lang, jetzt aber soll sie erst irgendwann in der nächsten Woche wieder anlaufen. Das sagte die Betriebsratschefin der Gigafactory bei einer Veranstaltung vor Ort am Freitagnachmittag, zu der das Gremium die Beschäftigten eingeladen hatte. Damit sollten sie sich öffentlich gegen den Brandanschlag stellen und zeigen, dass sie sich dadurch nicht stoppen lassen. Einen Zusammenschnitt veröffentlichte Tesla anschließend auf X. Die Fabrik liegt darin mit Ausnahme des großen Logos an der Front im Dunklen, am Ende machen die Anwesenden Licht mit ihren Smartphones. Laut Thierig auf LinkedIn nahmen mehr als 2000 Beschäftigte und Angehörige Teil.
Lights On pic.twitter.com/3Py4BERjfK
— Tesla Manufacturing (@gigafactories) March 8, 2024
Auch von der Landespolitik in Brandenburg bekam Tesla nach dem Anschlag Unterstützung. Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte, Unternehmen wie der Elektroauto-Hersteller könnten in Deutschland darauf vertrauen, dass der Rechtsstaat sie schützt. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach erklärte bei einer Presse-Konferenz vor der Gigafactory (s. Foto oben), die Landesregierung wolle, dass Tesla weiter in Grünheide produziert. Am Freitag wurde bekannt, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen in dem Fall übernommen hat. Der Anfangsverdacht soll auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, verfassungsfeindliche Sabotage und Brandstiftung lauten.
Demos von Tesla-Gegnern und -Freunden
Außer mit mutmaßlichen Terroristen ist Tesla in Grünheide auch mit friedlichem Protest konfrontiert. Mitte Februar lehnte die Bevölkerung mehrheitlich Pläne ab, das Gigafactory-Gelände hauptsächlich für logistische Zwecke nach Osten zu erweitern. Seit Ende des Monats halten Aktivisten Bäume auf dieser Fläche besetzt, was die Polizei nachträglich zunächst bis Mitte März genehmigt hat. Wohl an nicht-militante Gegner gerichtet, veröffentlichte Teslas Politik-Chef Rohan Patel am Mittwoch auf X eine Reihe von positiven Fakten über die deutsche Fabrik. So sei der Wasser-Bedarf pro produziertem Auto dort 33 Prozent niedriger als im Industrie-Durchschnitt und man habe als Ausgleich für Rodungen 300 Hektar hochwertigen Wald neu angepflanzt.
Wie danach der Tagesspiegel berichtete, bestätigen interne Dokumente den von Patel genannten Verbrauch von 2,28 Kubikmetern Wasser pro Model Y recht genau. Insgesamt habe die Tesla-Fabrik im vergangenen Jahr knapp 452.000 Kubikmeter Frischwasser bezogen und exakt 200.172 Elektroautos produziert, was 2,25 Kubikmeter pro Stück ergibt. In dem Bericht werden auch Vorwürfe des lokalen Wasser-Verbandes bestätigt, laut denen Grenzwerte im Tesla-Abwasser überschritten werden. Das soll aber ausgerechnet daran liegen, dass mittlerweile der Großteil auf dem Fabrik-Gelände wieder aufbereitet wird: Dadurch bleibt hauptsächlich Sanitär-Abwasser mit relativ viel Stickstoff und Phosphor übrig, dessen Konzentration Tesla nur mit Verdünnen verringern könnte.
Dennoch bleiben die alten Fronten offenbar bestehen: Für den Sonntag haben sowohl Gegner als auch Unterstützer der Gigafactory Demonstrationen angekündigt. Für 14 Uhr riefen verschiedene Organisationen zum Treffen am nahen Bahnhof Fangschleuse unter dem Motto „Tesla Nein Danke“ auf und wollten von dort zum Rathaus Grünheide ziehen. Zur gleichen Zeit sollten im nahen Bürgerpark der Gemeinde Leute zusammenkommen, die Tesla aufgeschlossener gegenüberstehen und die Zukunft Grünheides mit dem Unternehmen „gestalten statt verhindern“ wollen.
Alps besser und billiger als Model Y?
Der Anschlag und seine Folgen dominierten also das Geschehen in dieser Woche, aber es gab noch weitere Tesla-Nachrichten. Dazu zählen die deutschen Neuzulassungen im Februar – die bei der US-Marke mit 6038 Stück knapp 22 Prozent niedriger ausfielen als vor einem Jahr. Das Model Y blieb damit das meistverkaufte Elektroauto und war auch bei SUVs aller Antriebe vorn, während das Model 3 im Februar nur knapp 400-mal neu zugelassen wurde. Auch die Elektroauto-Verkäufe insgesamt waren laut dem Kraftfahrt-Bundesamt 15,4 Prozent niedriger als im Februar 2023, nachdem sie im Januar noch gestiegen waren. Wie zuvor in den USA führte Tesla in dieser Woche offenbar wieder die Möglichkeit zum Transfer von kostenlosem Supercharging auf ein neu gekauftes Elektroauto ein.
In China fielen die Tesla-Verkäufe zuletzt ebenfalls niedriger aus als vor einem Jahr, wie CnEVPost berichtet. Zum Teil dürfte das allerdings daran gelegen haben, dass das chinesische Neujahr mit vielen Feiertagen 2024 in den Februar fiel. Doch der weltweite Bestseller Model Y bekommt auch immer mehr Konkurrenz. In dieser Woche wurde in China das erste Modell der Nio-Submarke Alps fotografiert – in Erlkönig-Tarnung, aber laut Berichten mit dem Hinweis „besser als Model Y“ auf der Heckscheibe. Zuvor hatte der Nio-Chef erklärt, dass der Crossover auch weniger kosten soll als der Tesla. Der Marktstart ist für diesen Oktober geplant.
Rivian mit zwei neuen Elektroautos
In den USA stellte unterdessen das Startup Rivian seine eigene Alternative zum Model Y vor – die allerdings erst ab 2026 zu kaufen sein soll. Der R2 ähnelt dem bereits erhältlichen SUV R1S, ist also kantiger als der Tesla-Crossover. Mit bis zu 330 Meilen EPA-Reichweite (gut 530 km) soll er das Model Y mit seinen maximal 310 Meilen trotzdem übertreffen und der Startpreis mit 45.000 Dollar nur wenig höher sein. Völlig unerwartet zeigte Rivian außerdem das kompaktere SUV-Elektroauto R3 mitsamt der Sportversion R3X, das danach auf der gleichen Plattform und zu niedrigeren Preisen produziert werden soll.
Die Aktie von Tesla hat in diesem Umfeld in dieser Woche deutliche Schwäche gezeigt – was unter anderem dazu führte, dass CEO Musk den Titel als reichster Mensch der Welt zumindest vorübergehend an seinen Rivalen Jeff Bezos abgeben musste. Am Freitag ging sie mit einem weiteren Minus von 1,85 Prozent auf 175,34 Dollar aus dem Handel. Laut einem Bloomberg-Bericht empfehlen derzeit nur 20 von 59 Analysten einen Kauf von Tesla, der geringste Anteil seit April 2021. Der langjährige Optimist Adam Jonas von Morgan Stanley blieb demnach bei seiner Übergewichten-Einschätzung, senkte aber sein Kursziel und schrieb, in diesem Jahr sei sogar ein Verlust im reinen Elektroauto-Geschäft von Tesla denkbar.