Am sichersten für professionelle Beobachter der Tesla-Aktie ist wahrscheinlich die Position, auf die sich Anfang Juli Ivan Feinstein von Tigress Financial zurückgezogen hat: Tesla sei einfach kein normales Unternehmen, also habe es auch keinen Sinn, sich mit normalen Bewertungsmaßstäben daran zu versuchen. Trotzdem verlangen Anleger auch bei Tesla nach Prognosen, und so geben Analysten für die Geschäftszahlen im Quartal bis Ende Juni ihre Schätzungen ab. Veröffentlichen wird Tesla sie am 22. Juli, und sie versprechen sowohl besonders bedeutend als auch auf gewisse Weise paradox zu werden.
Tesla-Zahlen entscheidend für Index
Schon bekannt ist, dass Tesla im zweiten Quartal angesichts der Coronavirus-Störungen mit 90.650 unerwartet viele seiner Elektroautos ausgeliefert hat. Damit rückte für viele erstmals ein Gewinn bei Tesla sogar in Corona-Zeiten in den Bereich des Möglichen. Und selbst ein kleiner Verlust im zweiten Quartal könnte noch ausreichen, damit Tesla über ein ganzes Jahr gesehen profitabel war. Damit wäre die wohl letzte Voraussetzung für die Aufnahme der Aktie in den bedeutenden Index S&P 500 erfüllt, die Tesla weiteren Kurs-Auftrieb geben dürfte.
Tesla-Fans verstehen im Vorfeld alles Mögliche als Signal dafür, dass CEO Elon Musk es im zweiten Quartal erneut und wirklich geschafft haben könnte. Schon der relativ frühe Termin für die Bekanntgabe der Zahlen am kommenden Mittwoch wurde so interpretiert. Und als Musk erst die Börsen-Aufsicht SEC provozierte und dann kurze Sporthöschen als „short shorts“ für Leerverkäufer in den Tesla-Webshop aufnehmen ließ, vermuteten Fans erst recht, Musk bereite einen triumphalen Tag vor.
Tesla-Überraschung erwartet
Und so besteht vor der offiziellen Bekanntgabe der Zahlen nächste Woche eine paradoxe Situation. Analysten an der Wall Street erwarten im Durchschnitt einen Verlust pro Tesla-Aktie von 0,63 Dollar, berichtet Zacks Equity Research in einem Ausblick. Doch das sind nur die offiziellen Schätzungen. Daneben gibt es noch die Whisper Numbers, also sozusagen das, was man sich am Markt zuraunt. Zacks hat für solche „Überraschungsvorhersagen“ ein eigenes System entwickelt und kommt zu dem Schluss: „Tesla wird höchstwahrscheinlich die Konsens-Schätzung für das Ergebnis pro Aktie übertreffen.“ Inoffiziell wird also erwartet, dass die Erwartungen nicht stimmen.
In dieser Hinsicht ist sich der Finanzdienst mit den Fans von Tesla und CEO Musk in sozialen Medien einig. Wenn Tesla auch nur nah am offiziellen erwarteten Verlust liegt, dürfte das deshalb an der Börse als enttäuschend aufgenommen werden. Und wenn die Zahlen doch sehr gut sind, könnte nach dem Tipp eines Analysten gegenüber MarketWatch eine weitere erwartbare Überraschung folgen: Tesla könnte seine hohe Börsen-Bewertung „zur Waffe machen“ und sie nutzen, um billig noch mehr Aktien-Kapital für noch schnelleres Wachstum von begeisterten Anlegern aufzunehmen.