Mit dem Mercedes EQS will der deutsche Daimler-Konzern später in diesem Jahr sein erstes Fahrzeug auf einer speziellen Elektroauto-Plattform auf den Markt bringen. Es tritt im Luxus-Segment parallel zur konventionellen S-Klasse an – Preise für den EQS hat Mercedes noch nicht genannt, aber die Schwelle von 100.000 Euro dürfte mit Extras problemlos zu überschreiten sein. Schon gemeldet hat das Unternehmen dagegen die Reichweite von bis zu 770 Norm-Kilometern, die einen Rekord auf dem aktuellen Elektroauto-Markt darstellt. Laut einem ersten Test ist sie sogar bei deutschem Autobahn-Tempo annähernd zu erreichen – und Tesla dürfte darauf reagieren.
Tesla sagte neuen Reichweiten-König ab
Eigentlich war ein neuer Reichweiten-König von Tesla schon angekündigt und bestellbar: Das in diesem Januar vorgestellte Model S Plaid+ sollte selbst nach der strengeren US-Norm EPA mehr als 800 Kilometer weit und 2022 nach Europa kommen. Kurz vor der Auslieferung der ersten Model S Plaid (ohne plus) Mitte Juni aber sagte CEO Elon Musk die Plus-Variante überraschend ab. Mehr als 400 Meilen (644 km) Reichweite mit einer Akku-Füllung seien eigentlich nicht nötig, erklärte er zu diesem Aspekt.
Man kann es aber auch so sehen: „Tesla hat den Thron der größten Reichweite bei Serienautos im realen Straßenverkehr Mercedes überlassen“, erklärt in einem aktuellen Video Alexander Bloch, Reporter bei der Zeitschrift auto, motor und sport. Das ist seine Erkenntnis aus einem Reichweiten-Test mit dem deutschen Luxus-Elektroauto, das er dafür vorab von Mercedes zur Verfügung gestellt bekam.
In dem Beitrag auf YouTube demonstriert und erklärt der Auto-Reporter den Verbrauch des EQS bei verschiedenen Geschwindigkeiten. Auf einer nach seinen Angaben recht ebenen Autobahn mit 120 Kilometern pro Stunde zeigt der Bordcomputer Werte um 15 Kilowattstunden pro 100 Kilometer an, was für ein Auto dieser Größe unvergleichlich wenig sei. Bei Tempo 130 wird ein „Wahnsinnswert“ um 16-17 kWh/100 km erreicht. Das ist laut Bloch auf jeden Fall weniger als beim VW ID.3, der dann weit über 20 Kilowattstunden brauche, und wohl auch besser als beim Tesla Model 3. Bei dem zweiten Vergleich will er sich allerdings nicht festlegen. Tatsächlich lag das Model 3 in einem nextmove-Test schon 2018 zumindest mit 120 auf einem ähnlichen Niveau.
Über die Effizienz des Mercedes EQS müsse man jedenfalls nicht groß reden, erklärt der Reporter. Und in der Kombination mit dem rekordgroßen Akku in dem deutschen Elektroauto bedeutet das: Selbst bei Autobahn-Tempo (mit den üblichen Baustellen-Limits zwischendurch) lässt sich damit die Strecke von München nach Berlin ohne Nachladen bewältigen. Das hat Bloch für eine andere Auto-Sendung ausprobiert, erzählt er: Über die 638 Kilometer habe er eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 104 Stundenkilometern erzielt und am Ende noch Strom für weitere 48 Kilometer übrig gehabt. Das macht insgesamt satte 686 Kilometer Autobahn, nach den Angaben im Video ohne Schleichen und zum Teil „ordentlich zügig“. Trotzdem derart weit zu kommen, sei eine neue Dimension im Elektroauto-Bereich und schon besser als bei manchen starken Verbrennern.
Mercedes EQS „bestes Elektroauto der Welt“
Zu beachten ist bei den genannten Werten, dass Mercedes Bloch offenbar die absolut effizienteste Variante des EQS zur Verfügung gestellt hat. Wie er selbst erzählt, liegen die offiziellen WLTP-Verbrauchsangaben dafür je nach Konfiguration zwischen 15,7 kWh und mehr als 20 kWh pro 100 Kilometer. Sein Testwagen sei zum Beispiel mit einem aerodynamischen AMG-Kit und mit luftwiderstandsoptimierten Felgen ausgestattet, und auch die Reifen würden sich auf den Verbrauch auswirken.
Trotzdem dürfte der Mercedes EQS Tesla in die ungewohnte Situation bringen, dass ein elektrischer Konkurrent bei einem wichtigen Wert die Nase vorn hat. „Ja, er ist das beste Elektroauto der Welt“, hält Bloch den für ihn erreichten Zwischenstand auch mit Blick auf Tesla fest. Daraus lasse sich zum einen ableiten, dass die deutschen Hersteller auch solche Fahrzeuge bauen können, „wenn sie müssen“. Zum anderen sei er sich sicher, dass Tesla-Chef Musk „zurückschlagen“ werde, auch wenn er das Model S Plaid+ vorerst abgesagt habe. Diesem Konter sehe er mit Freude entgegen.