Mit dem Model 3 hatte Tesla den (selbst geschaffenen) Markt für Elektroauto-Limousinen mit hoher Reichweite noch fast für sich, und auch das in Nordamerika schon verfügbare Model Y trifft dort bislang auf keine Elektro-Konkurrenz. In Europa dagegen will Tesla das Model Y erst aus seiner neuen Gigafactory bei Berlin verkaufen, also wohl nicht vor Mitte 2021. Und ob geplant oder durch eine für sie glückliche Fügung: Viele konventionelle Hersteller von Audi über Kia bis Volkswagen haben Elektroautos im selben modernen Crossover-Format entwickelt, die in Europa noch vor dem Tesla Model Y oder gleichzeitig mit ihm zu haben sein sollen. Das neueste Beispiel dafür kommt von Nissan und könnte besonders interessant sein.
Crossover wie Tesla Model Y
Denn schon Ende 2010 und damit lange vor dem Tesla Model 3 brachte Nissan mit dem Leaf ein bezahlbares Serien-Elektroauto auf den Markt. Dank frühem Start wurden davon bislang knapp eine halbe Million Exemplare verkauft, was bis Ende 2019 weltweiter Elektroauto-Rekord war. Anders als Tesla zog Nissan mit dem Leaf aber keine übergroße Aufmerksamkeit auf sich, was sowohl an der weniger begehrten Marke als auch an ein paar speziellen Schwächen gelegen haben dürfte. So lud schon der frühe Nissan mit bis zu 50 Kilowatt, das aber nur an in Europa exotischen Chademo-Stationen, und neigte dabei zum Überhitzen mit der Folge langsameren Ladens.
Jetzt aber kommt das am Mittwoch live aus Japan vorgestellte neue Elektroauto Ariya, mit dem Nissan in vielerlei Hinsicht viel weiter in Tesla-Terrain vordringt. Das beginnt beim Äußeren, das beim Leaf noch als wenig ansprechend empfunden wurde. Anders als der frühe erste Wurf kommt der Ariya im Crossover-Format wie das Tesla Model Y und zudem in einem fließend-modernen Design. Wie die neuen elektrischen SUV-Coupes anderer Hersteller ist aber auch der Nissan deutlich zerklüfteter als ein Tesla.
Vielleicht kostete genau dieses Verharren in der alt-modernen Design-Welt, das auf Kosten der Aerodynamik gehen dürfte, den Nissan Ariya die Chance, Tesla in einer entscheidenden Kategorie zu überbieten: Den Akku gibt es optional mit 87 Kilowattstunden nutzbarer Kapazität, also etwa zehn mehr als im Tesla Model Y. Damit kommt Nissan im effizientesten Modell (nur Heck-Antrieb) auf geschätzte 500 WLTP-Kilometer, wo Tesla für das Model Y (das es bislang nur mit Allrad gibt) 505 Kilometer angibt. Tesla bleibt also Crossover-Spitzenreiter, sogar bevor das vor kurzem bestätigte Model Y mit reinem Heck-Antrieb zu haben ist. Aber der Vorsprung ist geschrumpft, ähnlich wie beim vor kurzem vorgestellten Audi Q4 e-tron Sportback.
Nissan folgt Tesla zu CCS
Auch beim Laden des Akkus (es gibt auch eine Variante mit nur 63 kWh) hat Nissan nachgelegt, dreifach sogar: Zum einen lädt der Ariya erstmals an CCS-Stationen, wie es Tesla für das Model 3 und fast alle anderen Hersteller für Europa längst entschieden haben; das erhöht die Auswahl. Zweitens verträgt der E-Crossover bis zu 130 Kilowatt – weniger als Teslas, aber ordentlich. Und weil der Akku neuerdings mit Flüssigkeit gekühlt wird, sollte auch die Leistung beim Nissan Ariya nicht mehr durch Erhitzung einbrechen wie früher beim Leaf.
Wie bei heutigen Elektroautos üblich, bringt auch der neue Nissan große Bildschirme (zweimal 12,3 Zoll), viel Glas und Assistenten mit. Damit blieben die entscheidenden Fragen zu Preisen und zum Markt-Start in Europa – zu denen das Unternehmen am Mittwoch aber noch nichts verriet. Diese Informationen sollen erst „in den nächsten Monaten“ bekannt gegeben werden, hieß es dazu, was jedenfalls nicht für einen schnellen Europa-Start spricht.