Manche Beobachter hoffen noch auf ein Software-Update, das Besserung bringt, aber nach den ersten Eindrücken könnte Tesla mit einer wiederbelebten Batterie-Technologie einen großen Schritt in die falsche Richtung gemacht haben: Seit Oktober wird das Model 3 in seiner kleinsten Variante Standard-Reichweite plus (SR+) mit einem Akku aus billigeren LFP-Zellen angeboten – laut CEO Elon Musk sind diese mit einigen Extras inzwischen gut genug selbst für manche Teslas. Das Model 3 SR+ aus China wird auch nach Europa exportiert – und ein erster Test in Deutschland bestätigte jetzt eine im Vergleich zu früher schwache Ladeleistung.
Qualität bei China-Tesla einwandfrei
Mehrere Faktoren machen die Elektroautos aus China interessant, die seit einigen Wochen auf den Europa-Websites von Tesla angeboten werden. Dank der billigeren LFP-Zellen (und als Ausgleich für das höhere Gewicht) ist in diesen Model 3 ein etwas größerer Akku verbaut, was 10 Kilometer mehr WLTP-Reichweite bedeutet. Zudem kann und soll diese Batterie laut Tesla regelmäßig auf 100 Prozent geladen werden, lässt sich also bedenkenlos komplett nutzen. Und die Model 3 mit dem LFP-Akku werden zu niedrigeren Preisen angeboten (in Deutschland für 3000 Euro weniger als neu konfigurierte), auch weil sie noch nicht die Auffrischung von Ende Oktober bekommen haben.
Selbst der letzte Punkt spricht für Freunde von Chrom-Verzierungen außen und der glänzenden Mittelkonsole im Inneren für das kleine Tesla Model 3 aus China. Ab knapp 42.000 Euro waren am Montag weiterhin viele davon beispielsweise in Deutschland verfügbar, also für 36.000 Euro nach Abzug der Elektroauto-Umweltprämie. Zudem sollen die Fahrzeuge aus der chinesischen Fabrik eine weitaus bessere Qualität haben als amerikanische – der freie Tesla-Experte Ove Kröger hat schon ein Model 3 von dort untersucht und bezeichnete es als makellos.
Aber all das dürfte an Bedeutung verlieren, wenn sich erste Meldungen über eine gravierende Schwäche des Model 3 mit LFP-Batterien bestätigen. Zunächst berichtete das chinesische Portal d1ev über Beschwerden von Neubesitzern in China: Der Akku lasse sich nur mit deutlich weniger Leistung aufladen als der bisherige von LG Chem, zudem sei es oft nicht möglich, ihn auf 100 Prozent zu laden. Die echte Reichweite liege weit unter dem angegebenen Norm-Wert. Und weil Tesla die volle Ladung empfehle, komme es aktuell zu mehr Überfüllung an seinen Superchargern.
Zumindest die niedrige Ladeleistung des Tesla Model 3 SR+ aus China hat sich am Wochenende in einem ersten Test in Deutschland bestätigt. Der YouTube-Kanal Null Emission, offenbar frischer Besitzer eines solchen Elektroautos, fuhr damit gleich zu einem Supercharger – und erreichte in der Spitze nicht mehr als 73 Kilowatt, also nicht einmal halb so viel, wie dem bisherigen Model 3 SR+ möglich war; schon nach Sekunden nahm die Leistung außerdem weiter auf unter 60 Kilowatt ab. Sein Akku sei bei der 70-minütigen Anfahrt zum Supercharger vorgewärmt worden, erklärt der Moderator zu einem möglichen bremsenden Faktor.
https://twitter.com/jtailangw/status/1335649299552669699
In dem Bericht aus China war schon von vielen Käufern die Rede, die ihren LFP-Tesla nicht behalten wollen. Auf Twitter hieß es am Montag, viele Dänen hätten angesichts ab 2021 stark steigender Elektroauto-Steuern ein chinesisches Model 3 bestellt – und würden jetzt über eine Stornierung nachdenken. Zur Relativierung veröffentlichte ein Nutzer eine Tabelle, die von einer deutschen Website stammen und letztlich nur einen geringen Ladezeit-Unterschied zwischen Basis-Teslas mit LFP- und dem früheren Akku zeigen soll. Darin ist eine Spitzenleistung beim China-Modell von 88 Kilowatt und bei der US-Variante von 110 Kilowatt angegeben (nach früheren Meldungen schafft diese aber bis zu 170 Kilowatt).
Tesla könnte mit LFP mehr vorhaben
In jedem Fall hat das Problem Relevanz nicht nur für die aktuelle Charge von Model 3 in und aus China: Analysten gehen davon aus, dass Tesla der LFP-Technologie mit seiner Entscheidung dafür zu einer Renaissance auch im Westen verhelfen könnte. Doch damit das nicht nach hinten losgeht, wird CEO Musk mit seinem Team wohl noch etwas mehr aus ihr herausholen müssen.