Von der Aufholjagd der deutschen Autohersteller bei der Ladeinfrastruktur in Europa haben lange Zeit Fahrer der Elektroautos von Tesla und insbesondere Model 3 mit am stärksten profitiert. Im Jahr 2018 gründeten BMW, Daimler, Ford und Volkswagen zusammen das Unternehmen Ionity, das seitdem ein Netz von superschnellen Ladestationen an Autobahnen aufbaut. Bislang konnten Tesla-Fahrer dort billiger und schneller laden als an den eigenen Superchargern und machten intensiv davon Gebrauch. Aber damit soll Anfang Februar Schluss sein.
Bis Herbst 2018 war das Laden bei Ionity sogar kostenlos, später berechnete das Lade-Netz zunächst einen Pauschalpreis von 8 Euro pro Ladung. Fahrer eines Tesla Model 3 mit dem größeren Akku konnten dort also für kaum mehr als 10 Cent pro Kilowattstunde laden, wenn sie leer ankamen und voll wieder abfuhren. Selbst bei weniger Strombedarf bleiben die Ionity-Säulen billiger als die Tesla-Supercharger, an denen pro Kilowattstunde in Deutschland 33 Cent berechnet werden.
Darüber hinaus konnte man Elektroautos von Tesla bei Ionity auch schneller laden als mit dem Tesla-eigenen Netzwerk. Das Model 3 verträgt kurzzeitig bis zu 250 Kilowatt Ladeleistung, die bei Tesla in Europa bislang nur an einem einzigen Supercharger-Standort zu haben sind; die meisten anderen Tesla-Stationen liefern maximal 150 Kilowatt. Ionity dagegen baut standardmäßig Säulen mit 350 Kilowatt. Davon profitieren auch Besitzer neuerer Model S und Model X, denn diese vertragen bis zu 200 Kilowatt Leistung – laden allerdings in den meisten Fällen kostenlos bei Tesla, sodass Ionity für sie weniger interessant ist als für Fahrer von Model 3.
Doch damit ist es bald ohnehin zu Ende. „Ionity gibt neue Preisstruktur bekannt“, meldete das Unternehmen Ende dieser Woche. Statt 8 Euro pauschal soll das freie Laden an seinen Säulen ab Februar 79 Cent pro Kilowattstunde kosten. Eine volle Ladung für ein Tesla Model 3 (berechnet mit 70 Kilowattstunden) würde dann also rund 55 Euro kosten, gegenüber 23 Euro am Supercharger.
Das sind allerdings nur die Preise für Kunden, die Ionity direkt nutzen statt über einen der Partner. Und wie sich zeigt, machen insbesondere die deutschen Autohersteller weiter attraktive Angebote – offiziell nutzen sie Ionity als Dienstleister und legen auf der Basis von dessen Infrastruktur eigene Preise und Pakete fest. Wie eine Übersicht des Portals emobly auf Twitter zeigt, liegen diese Preise auf Tesla-Niveau oder knapp darunter.
Der neue #IONITY Ad hoc-Preis gilt nicht für Ladetarif-Kunden bestimmter Hersteller:
Audi: 0,33 EUR/kWh
Porsche: 0,33 EUR/kWh
Daimler: 0,29 EUR/kWh
BMW: 0,30 EUR/Minute
VW: 8,40 EUR/LadevorgangBei BMW/VW rechnen wir mit einer Änderung im Februar.
— emobly (@emobly) January 17, 2020
Bislang dürften die schnellen Ionity-Stationen wenn nicht überwiegend, dann zumindest zu großen Teilen von Fahrern von Tesla Model 3 genutzt worden sein, denn dabei handelt es sich um das in Europa am stärksten verbreitete echte Langstrecken-Elektroauto. Tatsächlich gab es schon Beschwerden von Fahrern anderer Elektroautos, dass Tesla-Fahrer trotz vorhandener Supercharger-Alternative bevorzugt Ionity-Säulen wählen.
Und wie ein Ionity-Manager unter etwas merkwürdigen Umständen einräumte, ist zumindest eines der Ziele der drastischen Preiserhöhung, nicht mehr so oft oder jedenfalls nicht mehr so lang Elektroautos von Tesla an den eigenen Säulen zu haben: „Wenn ich Model-3-Fahrer bin und kann für 8 Euro vollmachen, dann lade ich auch voll und fahre ins Zillertal und dann da rum“, sagte er (neben seinem Tesla Model 3, aber ohne sich als Ionity-Mitarbeiter zu erkennen zu geben) einem YouTuber, der Stimmen zu den neuen Preisen sammelte. „Die Leute sollen bleiben, bis sie ihr Ziel erreichen können und nicht optimieren.“