Bevor Tesla mit dem Model 3 kam, war das meistverkaufte Elektroauto in Europa der Nissan Leaf, in der zweiten Generation ab 2018 immerhin mit bis zu 62 Kilowattstunden Akku-Kapazität und 385 Kilometern Reichweite. Inzwischen spielt er keine große Rolle mehr, und für den neuen Modell-Jahrgang 2023 hat Nissan dem Leaf keine entscheidenden Modernisierungen spendiert. Dadurch bleibt es unter anderem beim Gleichstrom-Laden nach dem Chademo-Standard, der zunehmend zum Exoten wird. Doch zumindest in den USA könnten selbst alte Leafs jetzt deutlich aufgewertet werden, denn Nissan gab die erste Ladestation frei, mit denen sie Strom an ein Haus oder auch das ganze Netz abgeben können.
Leaf soll erstes bidirektionales Elektroauto sein
Dieses so genannte bidirektionale Laden rückt zunehmend in den Fokus von Elektroauto-Herstellern, ihren Kunden und Stromnetz-Betreibern. Tesla-CEO Elon Musk zeigt sich hier bemerkenswert zurückhaltend und empfahl vor kurzem Kaliforniern in der aktuellen Strom-Knappheit den Kauf einer Powerwall als stationären Haus-Speicher – wobei er vielleicht vergaß, dass es den seit 2021 nur noch in Kombination mit einer Photovoltaik-Anlage von Tesla gibt. Mehrere andere Hersteller wie unter anderem Volkswagen aber sprechen viel über V2H (vehicle-to-home) oder V2G (vehicle-to-grid), und Ford verkauft zu seinem elektrischen Pickup F-150 Lightning eine bidirektionale Wallbox.
Und auch für den Nissan Leaf ist eine solche Station für Elektroauto-Stromfluss in zwei Richtungen in den USA jetzt zu haben, wie der Hersteller in dieser Woche mitteilte. Sie nennt sich FE-15 und wird hergestellt von Fermata Energy, einem Anbieter von V2G-Lösungen. Nach den Angaben dazu ist die Ladestation ab sofort verfügbar, ein Preis wird allerdings nicht genannt. Die Nissan-Genehmigung bedeutet, dass sich ihre Nutzung nicht auf die Akku-Garantie für den Leaf auswirkt.
Damit sei der Leaf aktuell der einzige rein elektrische Pkw in den USA, der das Einspeisen von Strom aus seinem Akku in das Netz ermöglicht, schreibt Nissan – was wohl nur stimmt, weil der F-150 Lightning nicht als Pkw gilt. Private Besitzer oder Unternehmen könnten gespeicherte Energie mittels V2H nutzen, um zu Spitzenzeiten Geld zu sparen, erklärt der Hersteller weiter. In Bundesstaaten mit Programmen für Nachfrage-Reaktion könne der Elektroauto-Strom zudem an das Netz abgegeben werden.
24 Kilowattstunden fahrender Akku seit 2013
Das dürfte unter anderem für Kalifornien gelten, wo Tesla Kunden mit Powerwall vor kurzem aufrief, diese zum Teil eines zentral gesteuerten verteilten Kraftwerks zu machen. Einige tausend ließen sich bis zum zweiten Live-Einsatz im August dafür gewinnen und bekamen zwei Dollar für jede abgegebene Kilowattstunde. Abhängig vom noch nicht genannten Preis für die bidirektionale Nissan-Wallbox könnte sich die Installation allein dafür lohnen. Vielleicht erleben zudem auch gebrauchte Leafs bald eine Sonderkonjunktur. Denn laut Nissan eignen sie sich ab dem Modell-Jahrgang 2013 für die Nutzung in zwei Richtungen, und von Anfang an steckten mindestens 24 Kilowattstunden an Batterien darin.